Die schwierige Botschaft von der Versöhnung im Flüchtlingslager
Gemeinsam mit P. Raimondo war ich zweimal in den Juba-Camps der Vereinten Nationen, und wir haben die Flüchtlinge „im eigenen Land“ besucht und Gottesdienst mit ihnen gefeiert. Es ist immer schön, mit den Nuer in den Lagern den Gottesdienst zu feiern. Sie sind gut organisiert und haben sogar die Ministrantengewänder und verschiedene Gottesdienstgegenstände bei der Flucht ins Lager mitgebracht. Der Chor fängt an zu singen und hört gar nicht mehr auf. So dauern die Feiern manchmal drei Stunden. Die Lesungen in der Fastenzeit und jetzt über die Karwoche auf Ostern hin waren immer eine große Herausforderung für die Christen im Lager. Feindesliebe, Versöhnung, Friede sind schwer nachzuvollziehen, wenn die Wunden so tief, die Ohnmacht so überwältigend und die Erniedrigung so groß ist. Die Parallele zu Jesu Leidensweg liegt nahe.
Am Palmsonntag war der ehemalige Bischof von Torit, Paride Taban mit dabei. Unermüdlich setzt er sich um Friedensgespräche ein, besucht Flüchtlingslager und auch die kleineren Volksgruppen, die in diesem Konflikt an den Rand gedrängt worden sind. Er ist hier eine Autorität und er ist der einzige, der die Dinge beim Namen nennen kann. In den Sonntagslesungen der Fasten- und Passionszeit spricht Jesus von der Feindesliebe: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“.
Es war eine eigenartige Stimmung in mir, als ich diesen den Text vorgelesen habe. Nur als Wort Gottes konnte ich es vortragen, selber hätte ich– angesichts der erfahrenen Brutalität – keinen Ratschlag zu geben gewagt. Viele hier haben ihre Verwandten, Familienmitglieder, Hab und Gut, ja alles verloren. Bischof Paride hat dann in seiner Predigt gesagt, dass die erbarmungslose Rache das Land nicht nur blind und zahnlos macht, sondern auch irgendwann andere das Land bewohnen werden. Das waren starke Worte, die nur er sagen konnte. Gebetsmühlenartig hat er 20 Haltungen aufgezählt, die er sich selbst täglich zuspricht, um nicht in die allzu menschliche Spirale der Gewalt und Ablehnung des Nächsten zu geraten: Mit großer Innigkeit hat er aufgezählt und gleich viermal wiederholt: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Mitleidensbereitschaft, Sympathie, Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit, Güte, Selbstkontrolle und Demut, Armut, Versöhnung, Barmherzigkeit, Freundschaft, Vertrauen, Einigkeit, Reinheit, Glaube und Hoffnung. Mit diesen Worten und dem Aufruf zum Gebet für die Nation hat Bischof Paride den Gottesdienst beendet.
Von Br. Hans Eigner, Comboni-Missionar
Aus:
Der Geteilte Mantel. Ausgabe 2014.
Mit freundlichem Dank für die Abdruckgenehmigung.