Daniel Ortega bleibt Nicaraguas starker Mann
Managua ‐ Obwohl zahlreiche Länder den Wahlsieg nicht anerkennen, hat Nicaraguas autokratischer Präsident Daniel Ortega seine neue Amtszeit begonnen. Die Kirche bietet Vermittlerdienste an.
Aktualisiert: 26.10.2022
Lesedauer:
Rosario Murillo sagte, sie habe eine „mächtige, mysteriöse Energie“ gespürt bei der Zeremonie am Montag: Nicaraguas sandinistischer Präsident Daniel Ortega begann seine neue Amtszeit, seine Ehefrau Murillo wird weiterhin Vizepräsidentin bleiben. Ortega hatte nach offiziellen Angaben die Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr gewonnen, allerdings waren im Vorfeld alle potenziellen Rivalinnen und Rivalen verhaftet oder in Hausarrest verwiesen worden. Genau deshalb haben zahlreiche Länder, darunter auch Deutschland, die USA, die Europäische Union - aber auch Länder aus Lateinamerika, die Anerkennung des Wahlsieges verweigert.
Gekommen waren trotzdem einige Verbündete: Kubas Präsident Miguel Diaz-Canel, nach einer Verhaftungswelle nach den Sozialprotesten im eigenen Land ebenfalls international scharf kritisiert. Präsident Nicolas Maduro aus Venezuela, dem schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, aber auch Vertreter aus Syrien und dem Iran. Die Präsenz des iranischen Funktionärs Mohsen Rezai sorgte wiederum in Argentinien für heftige Verstimmung. Rezai soll in den schwersten Bombenanschlag in der Geschichte Argentiniens auf ein Gebäude der Jüdischen Gemeinde im Juli 1994 in Buenos Aires verwickelt sein, bei dem 85 Menschen getötet und weitere 300 verletzt wurden.
Die Europäische Union hatte zeitgleich ihre Sanktionen gegen das Ortega-Regime ausgeweitet. Nach einem Beschluss des Rats der EU gelten demnach Einreiseverbote für sieben Einzelpersonen und drei staatliche Organe; ihre Vermögenswerte wurden eingefroren. Betroffen sind zwei erwachsene Kinder des Präsidentenehepaares, die Spitzen des Obersten Wahlrates, die Leiterin der Telekommunikationsbehörde und der Chef der Bankenaufsicht. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und die Untergrabung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit vorgeworfen.
Ebenfalls auf der Sanktionsliste stehen nun auch die Nationalpolizei Nicaraguas, die für die Tötung friedlicher Demonstranten verantwortlich gemacht wird, sowie Oberster Wahlrat und Post- und Telekommunikationsbehörde insgesamt. Alle drei Einrichtungen beteiligten sich nach dem Urteil der EU an der Unterdrückung der Opposition und an Repressionen gegen die Zivilgesellschaft. Insgesamt bestehen damit Strafmaßnahmen der EU gegen 21 Personen und drei Institutionen.
Unmittelbar vor Beginn der neuen Amtszeit Ortegas hatte der wegen Morddrohungen im Exil lebende Weihbischof Silvio Baez noch einmal schwere Vorwürfe gegen die sandinistische Regierung erhoben: Politische Gefangene seien Opfer von Folter einer grausamen Diktatur, die keine Grenzen kenne, schrieb Baez über Twitter. Inhaftierte Oppositionelle litten demnach unter dem Verlust von Zähnen, Gewicht, aber auch Gedächtnis sowie Ohnmachtsanfällen und Isolationshaft, zitierte das Portal „Diario Libre“ den von Papst Franziskus vor knapp drei Jahren wegen Morddrohungen aus Nicaragua ins Ausland versetzten Weihbischof von Managua. Zuvor hatten Familienangehörige von 40 im Hauptstadtgefängnis Nuevo Chipote inhaftierten Oppositionellen über dramatische Gesundheitszustände der Gefangenen berichtet.
Im Dezember hatte die Kirche in Nicaragua ihre Bereitschaft bekräftigt, für eine Vermittlerrolle zwischen Regierung und der Opposition zur Verfügung zu stehen. Die Kirche sei immer am Wohl aller interessiert und stehe bereit, sagte der jüngst zum neuen Vorsitzenden der Nicaraguanischen Bischofskonferenz gewählte Bischof Carlos Enrique Herrera aus der Diözese Jinotega. „Die Kirche war immer darauf bedacht, dass es in unserem Land einen Verständigungs- und einen Friedensprozess gibt“, sagte Herrera, der auch Leiter der Caritas in Nicaragua ist.
Nicaragua erlebt seit April 2018 eine Krise mit landesweiten Protesten gegen die linksgerichtete Ortega-Regierung. Seit Beginn kamen rund 350 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt. Nicaraguas Kirche, Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien kritisierten immer wieder in scharfer Form die Menschenrechtsverletzungen der Regierung.
Von Tobias Käufer (KNA)
© KNA