Grenze zwischen Täter und Opfer bleibt verschwommen
Ongwen wurde unter anderem vorgeworfen, ein viertägiges Massaker im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo angeordnet zu haben, bei dem mehr als 340 Zivilsten starben. 80 Kinder sollen während dieser Angriffe entführt worden sein. Ongwen stand im Verdacht, auch sie zu blutrünstigen Kämpfern herangezogen zu haben. Eine Zeugin, die den Überfall auf eines der Flüchtlingscamps miterlebte, sagte in Den Haag: „Sie kamen, um zu töten.“
Die Grenze zwischen Täter und Opfer bleibt in Ongwens Straffall verschwommen und dürfte die Richter bei der Bestimmung der Strafe erneut vor eine Herausforderung stellen. Klar seien laut HRW hingegen die Folgen seiner Verurteilung für die Überlebenden: Sie hätten nun erstmalig Chancen auf Reparationen aus einem vom Weltstrafgericht gegründeten Opfer-Fonds, dem sogenannten „Trust Fund for Victims“. Dies sei dringend nötig, betont Oryem Nyeko, Ostafrika-Forscher bei HRW: „Die Region ist ärmer und unterentwickelter infolge des Krieges.“ Der Norden Ugandas verzeichne eine der höchsten Raten an Arbeitslosigkeit und Analphabetismus.
Laut den Menschenrechtlern sei die Unterentwicklung aber nicht die einzige Kriegswunde, die unbehandelt blieb: Während Ongwen auf seine Strafverkündung wartet, ist Guerilla-Führer Joseph Kony weiter auf freiem Fuß. Seine Rebellen streifen durch das Grenzland zwischen Zentralafrika, dem Kongo, Uganda und dem Südsudan. Die Aktivisten forderten angesichts der Urteilsverkündung mehr Einsatz für Konys Festnahme.