Eigentlich wollte Brasiliens Präsident Jair Messias Bolsonaro dem Vorbild seines US-Amtskollegen Donald Trump folgen und aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 austreten. Statt Umweltschutz wolle er lieber die Region wirtschaftlich ausbeuten, um Reichtum für Brasilien zu schaffen. Doch Bolsonaro blieb im Abkommen – wohl auch, weil er sich nicht noch mehr Streit über seine Umweltpolitik einhandeln wollte.
Denn im Sommer 2019 hatten die zunehmenden Abholzungen und Waldbrände am Amazonas zu Ärger mit europäischen Ländern geführt, allen voran Frankreich und Deutschland. Da sich das Szenario dieses Jahr wiederholte, steht jetzt gar der Handelsvertrag zwischen der EU und dem südamerikanischen Block Mercosur, dem Brasilien angehört, auf der Kippe.
Nun scheint Bolsonaro den „Wert“ des Waldes erkannt zu haben: Am Dienstag stellte Umweltminister Ricardo Salles die neuen Klimaziele vor, pünktlich zum fünften Jahrestag des Pariser Abkommens. „Wir machen hier Brasiliens Zusage öffentlich, dass wir die Klimaneutralität bei Emissionen bis 2060 erreichen werden“, so Salles – und er schob nach: „wobei es die Möglichkeit gibt, dass dieses Zeitfenster reduziert wird. Dafür müssen aber die Marktmechanismen inkraft gesetzt werden, die im Pariser Abkommen stehen.“
Gemeint ist jene Klausel, dass die Industrieländer ab 2020 insgesamt 100 Milliarden Dollar jährlich für den Umbau der Energieversorgung und die Beseitigung von Umweltschäden bereitstellen. Umgesetzt ist das noch nicht. Salles hatte bereits 2019 erklärt: „Wir brauchen jetzt die in Paris versprochenen Gelder. Da Brasilien das (weltweite) Vorbild für Nachhaltigkeit ist, haben wir ein Anrecht auf einen großen Anteil der 100 Milliarden. Wenn wir nicht mindestens 10 Prozent davon erhalten, und zwar jedes Jahr, dann stimmt an dieser Berechnung etwas nicht.“
Sollten die Gelder ab 2021 fließen, könnte man die Klimaneutralität um zehn Jahre auf 2050 vorziehen, so Salles am Dienstag. „Wenn wir stetig diesen Betrag bekommen, werden wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, unsere Klimaneutralität, die wir heute für 2060 zugesagt haben, vorzuziehen.“ Damit zeige man der Welt wieder mal, wie vorbildlich Brasiliens Umweltpolitik sei, so Salles.
Umweltverbände sehen das komplett anders. Salles Äußerungen seien eine Andeutung, dass man tätig werden könnte – aber kein Klimaziel oder eine feste Zusage, die für internationale Verhandlungen taugt, kommentiert Marcio Astrini vom Öko-Think-Tank „Observatorio do Clima“. Vielmehr handele es sich um einen der bereits bekannten Erpressungsversuche der Regierung Bolsonaro: Geld her, oder wir machen den Kahlschlag.