Während des Lockdown wurden Warteschlangen in Südafrika zum Sinnbild für die Krise. Mal mit mehr, mal mit weniger Sicherheitsabstand standen die Massen und warteten vor dem Sozialamt, der Jobagentur oder der Suppenküche. Die Corona-Pandemie hat einen Feind aufgezeigt, den der junge Schwellenstaat längst besiegt glaubte: den Hunger. Das scheint paradox, gilt Südafrika doch als eines der reichsten Länder auf dem Kontinent. Während der Nachbar Simbabwe seinen Ruf als „Brotkorb Afrikas“ schon lange verloren hat, exportiert Südafrika Nahrung in die ganze Region.
„Südafrikas Herausforderung ist nicht, genügend Nahrung zu produzieren. Es sind weitverbreitete strukturelle Armut und Ungleichheit, die den Zugang zu ausreichend nahrhaftem Essen einschränken“, warnten die Bischöfe des Landes kürzlich. Die Ausgangssperre, die die Regierung im März verhängte, sowie der Einbruch der Wirtschaft ließen die Zahl der Hungernden dramatisch steigen. Fehlte vor Corona jedem fünften Haushalt in Südafrika am Monatsende Geld für Lebensmittel, war es auf dem Gipfel der Pandemie rund die Hälfte. Nach den Lockerungen sind es nun immer noch 37 Prozent, die hungrig zu Bett gehen.
Die Verzweiflung der Betroffenen manifestierte sich: Knapp einen Monat nach Ausrufung des Notstands kam es zu Plünderungen und Gewalt bei Essensausgaben. Für das Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria ist klar: „Hunger, Unsicherheit, Angst und eine geerbte Ungleichheit ergeben einen Giftcocktail, der Gewalt und Zorn mit sich bringt.“
Über mehrere Wochen hielt sich Südafrika auf Platz fünf der Länder mit den meisten Corona-Fällen. Die von vielen prophezeite Katastrophe mit Tausenden Toten bleib jedoch aus; eine schnelle Reaktion konnte das schlimmste verhindern. Umso schwieriger wird aber die Aufarbeitung der Pandemie: 2,8 Millionen Südafrikaner verloren im vergangenen Halbjahr ihre Jobs. „Normalerweise sehen wir solche Umbrüche in der Wirtschaft nur in Folge von Bürgerkriegen“, sagt Wirtschaftsforscher Nic Spaull.