Frage: Das ist eine hohe Messlatte für Sie und Ihre Mitbrüder....
P. James: Niemand von uns reicht an Claret heran, aber wir versuchen so gut wie möglich, seinem Vorbild zu folgen. Wir trinken von dieser Quelle, Claret - und möchten seinen Geist durch unsere missionarische Arbeit weitergeben.
Frage: Claret verstand sich als Missionar. Sind Missionare heute noch gefragt?
P. James: Sicher, und wir verstehen uns auch klar als Missionare: Wir möchten möglichst vielen Menschen die Botschaft vom Reich Gottes zeigen, indem wir die Liebe Gottes an sie weitergeben. Wir möchten ihnen helfen, ihren Blick auf Jesus zu richten und den Sinn des Lebens zu finden.
Die Kirche selbst ist missionarisch, und es ist unsere Berufung, dies in Erinnerung zu rufen. Die deutsche Provinz spielt dabei eine wichtige Rolle. Der deutsche Generalobere Pater Peter Schweiger öffnete Mitte des 20. Jahrhunderts die Kongregation für die nichtspanischen Länder. Er bat die Deutsche Provinz, in den Kongo zu gehen. Später wurden auch Studenten aus Indien nach Deutschland geholt, die hier ausgebildet werden sollten. Diese haben dann vor 50 Jahren die Kongregation in Indien gegründet. Die deutsche Provinz ist also ein wichtiges Instrument für unsere missionarische Präsenz in Kongo, Indien, Polen und Sri Lanka.
Frage: Wie müssen Missionare auftreten, damit ihre Botschaft bei den Menschen ankommt?
P. James: Wir müssen vorleben, was wir predigen. Die Leute suchen heute nach Menschen, deren Glaube mit Leben gefüllt ist. Sie orientieren sich an uns als Botschafter der Liebe und Güte Gottes.
Frage: Die Orden sind in einer Berufungskrise. Haben auch die Claretiner Nachwuchssorgen?
P. James: Ja, zumindest in Europa haben wir leider wenig Berufungen; der missionarische Auftrag ist hier nicht leicht zu erfüllen. Deshalb kommen die Berufenen von anderen Kontinenten nach Deutschland, etwa aus Afrika und Asien. Wir Claretiner sind Missionare, wir müssen unterwegs sein und in andere Länder gehen.
Frage: Wie werden sie auf ihren Einsatz in Deutschland vorbereitet?
P. James: Angehende Claretiner kommen als Studenten und werden in Deutschland ausgebildet. Sie lernen also die Theologie in der Sprache des Landes, wo sie später arbeiten. So lernen sie auch die Kultur und die Mentalität des Landes kennen.
Frage: Ist es für diese Berufenen nicht dennoch schwer, sich auf die Menschen vor Ort einzustellen?
P. James: Wir müssen uns anpassen an den Ort, wo wir sind, und dürfen den Menschen nicht einfach unsere eigene Mentalität und Theologie überstülpen. Und wir müssen uns Zeit für die Menschen an unserem neuen Wirkungsort nehmen und uns wirklich auf sie einlassen wollen.
Wir bemühen uns, interkulturell zu sein und unabhängig von unserer Sprache, Nationalität und Herkunft in anderen Länder missionarisch tätig zu sein. Wir transportieren nicht ein festes Glaubensbild von einem Land ins nächste. Denn die Menschen und die Kultur sind immer wieder anders - aber das Evangelium ist gleich. Es kommt darauf an, wie wir es interpretieren. Jesus hat eine Sprache gesprochen, die alle anspricht.
Frage: Ein echter Missionar geht also ganz in seiner neuen Heimat auf?
P. James: So kann man es sagen. Kürzlich ist der Claretinerbischof und renommierte Befreiungstheologe Pedro Casaldaliga gestorben. Er war viele Jahrzehnte in Brasilien, am Amazonas tätig. Er stammte aus Spanien, aber seine Art und Weise war gar nicht mehr spanisch. Er war ganz integriert in das Amazonasgebiet.
Das ist etwas, das wir alle versuchen. Wir Missionare vergessen eigentlich unseren Ursprung. Wir gehen zu den Menschen und passen uns ihrer Kultur an. Wir bringen also nichts aus unserer Heimat mit, das wir den Menschen einfach vorsetzen - nein, missionarische Arbeit ist etwas anderes.