Nach den Massenprotesten in Nicaragua mit Hunderten toter Zivilisten ist die innenpolitische Krise international weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Doch Menschenrechtsorganisationen und die katholische Kirche berichten über eine neue Welle von Repression und Einschüchterung der Opposition. Laut der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) versucht das sandinistische Regime von Präsident Daniel Ortega und seiner Frau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, „ein System der Kontrolle von Organisationen der Zivilgesellschaft“ aufzubauen. Diese habe aber ein Recht auf sozialen Protest, auf freie Meinungsäußerung und die Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten.
Ein konkretes Beispiel: Der regierungskritische Sender „Canal 12“ wurde von einem orteganahen Gericht zu einer hohen Steuernachzahlung verurteilt – was dem Sender die finanzielle Grundlage entzieht. Zuletzt wurde die Radiojournalistin Kalua Salazar wegen Beleidigung verurteilt, nachdem sie zuvor über Korruption in der Stadtverwaltung von El Rama berichtet hatte. Die Meldungen über die juristische Verfolgung regierungskritischer Journalisten häufen sich.
Human Rights Watch (HRW) vermutet dahinter ein konkretes Ziel. Die Menschenrechtsorganisation verurteilt zudem die jüngsten Gesetzesinitiativen der Regierung Ortega, die eine totale Kontrolle über Organisationen ermögliche, die aus dem Ausland mitfinanziert werden. Eine weitere Maßnahme, die offiziell dazu diene, „Fake News“ zu bremsen, könne zu Zensur verwandt werden. Diese Vorstöße könnte die Ortega-Regierung nutzen, um „Journalisten, zivilgesellschaftliche Gruppen und praktisch jeden, der die Regierung kritisiert, zu schikanieren und strafrechtlich zu verfolgen“, sagt HRW-Amerika-Direktor Jose Miguel Vivanco.