Kardinal Marx: Diese Enzyklika kommt zur rechten Zeit
Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat die neue päpstliche Enzyklika „Fratelli tutti“ einen hochaktuellen und bedeutsamen Text „zur rechten Zeit“ genannt. Er sei dankbar, dass Papst Franziskus seine Stimme so deutlich erhebe, „um den Beitrag der Kirche, ja aller Religionen, zur Lösung der aktuellen Krisen, die unsere Welt erschüttern, einzufordern und einzubringen“, erklärte Marx am Sonntag in München.
Das katholische Kirchenoberhaupt antworte angesichts der gegenwärtigen Krisen mit „einem neuen Traum der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft“, der viele Menschen in aller Welt bewege. Er schließe damit an die großen Sozialenzykliken früherer Päpste an.
Durch die Corona-Pandemie sei eine tiefe Sehnsucht nach Frieden, nach Gerechtigkeit, nach Versöhnung und vor allem nach Zusammenhalt wie in einem Brennglas deutlich geworden, erklärte der Kardinal. Dies gelte auch für die weltweite gegenseitige Abhängigkeit und den Mangel an wirksamer globaler und multilaterialer Kooperation. Der Papst analysiere klar, dass die Pandemie die falschen Sicherheiten offengelegt habe und es kein „Weiter so, wie vorher“ geben könne. Notwendig sei ein umfassend neues Denken und daraus folgendes Handeln einer geeinten Menschheitsfamilie.
Franziskus bleibt nach den Worten von Marx keineswegs bei der Vision stehen, sondern nehme zu aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaften Fragen Stellung. Er thematisiere unter anderem Fragen der Migration, der Ökologie, der Digitalität, des Multilateralismus. Er äußere sich deutlich abgrenzend zu den scheinbar verlockenden und simplen ideologischen Antwortangeboten von Nationalismus, Populismus und Rassismus. Eindeutig lehne er Krieg und Todesstrafe ab.
Zugleich wiederhole der Papst seine Mahnung, keine neuen Grenzen und Mauern zwischen Menschen und Völkern zu errichten, sagte der Kardinal. Vielmehr gelte es, bestehende Grenzen gesellschaftlicher, ökonomischer und zwischenmenschlicher Natur zu überwinden. Ein Anlass für diese Enzyklika sei sicher auch die große Sorge des Papstes um den Frieden in der Welt und auch um den Frieden zwischen den Religionen. Es gehe ihm darum, alle Religionen – „auch das Christentum!“ – vor der Gefahr der Instrumentalisierung durch fundamentalistische und terroristische Kräfte zu warnen und sich davon zu distanzieren.