Mit einem „Tag der Vergebung“ haben die Menschen in Kolumbiens Hauptstadt Bogota am Sonntag die jüngsten Opfer von Polizeigewalt um Entschuldigung gebeten. Zu der Gedenkfeier hatte Bürgermeisterin Claudia Lopez eingeladen, die in den vergangenen Tagen eine nachhaltige Polizeireform forderte – sonst werde es niemals Vertrauen und Versöhnung geben. Die Hinterbliebenen hätten ein Recht auf die Wahrheit, so Lopez. Der Gedenktag begann mit einem Konzert und endete mit Kochlöffellärmprotesten; einer üblichen Form, in Kolumbien zu demonstrieren. Zudem entzündeten die Teilnehmer Kerzen für die Opfer.
Staatspräsident Ivan Duque blieb dem Gedenktag fern und begründete das mit Terminschwierigkeiten. Daraufhin brachten die Organisatoren den Namen Duques auf einem leeren Stuhl an. Ein leerer Stuhl gilt in Kolumbien als Symbol für fehlenden Friedenswillen. Duque seinerseits wirft Lopez vor, die Opfer politisch instrumentalisieren zu wollen.
In den vergangenen Tagen wurden bei den Protesten im Land mindestens 13 Zivilisten getötet und Hunderte Personen verletzt, darunter Dutzende Polizisten. Der Tod von Javier Ordonez hatte die aktuelle Wutwelle ausgelöst. Er war von zwei Polizisten in der Nacht zum Mittwoch nach einer Beschwerde wegen Ruhestörung schwer misshandelt worden. Ein Video des brutalen Vorgehens der Polizisten verbreitete sich in den Sozialen Netzwerken. Darin ist zu sehen, wie zwei Polizisten mindestens zehnmal einen Elektro-Taser einsetzen, während ein am Boden liegender Mann mehrmals bittet, den Einsatz zu beenden. Passanten, die den Vorfall filmten, riefen die Polizisten ebenfalls zu Mäßigung auf. Am Freitag teilten Ermittler mit: Ordonez sei anschließend in einer Polizeistation brutal zusammengeschlagen worden und an diesen Kopfverletzungen erlegen.
Es sind nicht die ersten Unruhen dieser Art. Im November 2019 wurde der Student Dilan Cruz von einem Polizisten erschossen. Cruz hatte sich an den damaligen Protesten für Sozialreformen und die Umsetzung der Friedensverträge mit linken Rebellen beteiligt. Runde Tische sollten zum Jahresende für Entspannung sorgen – doch wirklich geändert hat sich nichts. Die Stimmung blieb gespannt, zumal gerade junge Kolumbianer angesichts der Corona-Krise wenig Perspektiven für sich sehen.