Wenn gleichzeitig Menschen hungern, Lebensmittel aber im Überfluss zu Dumpingpreisen bereitstehen und am Ende des Tages weggeworfen werden, kann etwas nicht stimmen. „Aus unserer Sicht ist die derzeitige globale Ernährungssituation nicht nachhaltig“, so Weichelt, „sie geht vielfach auf Kosten von Menschen und Umwelt.“
In vielen Städten werden daher bereits neue Konzepte erprobt. Die Teilnehmer*innen am kommenden Workshop werden sich intensiv mit den Entwicklungen in Städten wie Frankfurt und Rio de Janeiro beschäftigen. Dort wurden unter anderem schon vor einigen Jahren sogenannte Ernährungsräte gegründet . Dabei handelt es sich um Gremien, in denen Konsument*innen mit Produzent*innen, Händler*innen und politische Entscheidungsträger*innen zusammen kommen. Sie sollen dazu beitragen, dass sich Städte und Gemeinden in Zukunft gesund und nachhaltig ernähren können – und der lokalen Landwirtschaft ein gerechtes Auskommen ermöglichen. Viel kann hier von Brasilien gelernt werden. Doch auch bei uns gibt es bereits zahlreiche solcher Initiativen – allein rund fünfzig im deutschsprachigen Raum.
Mancherorts münden diese Debatten direkt in konkrete Initiativen. In Frankfurt legen Gruppen Schul- und Schaugärten an oder testen Ideen, um den Einsatz von Verpackungsmüll zu reduzieren. In Köln lernen Kindergartenkinder regional produzierte Lebensmittel wertzuschätzen und ein „Food Strip“ lädt zum Austesten neuer agrarischer Geschäftsmodelle ein. Das Ziel: Zugang zu genug guten Nahrungsmitteln gewährleisten, die nachhaltig produziert werden. Diese sollten, so Misereor-Referentin Weichelt, möglichst aus der Region stammen, lokale Wirtschaftskreisläufe stärken, aber auch Emissionen vermeiden, beispielsweise indem sie weniger Transport erforderlich machen.
Im Unterschied zu anderen Revolutionen soll die „Foodrevolution“ aber friedlich verlaufen. „Was wir mit dem Wort ‚Revolution‘ ausdrücken wollen, ist, dass diese Veränderung der Art und Weise, wie wir uns in den Städten ernähren, von den Menschen getragen werden muss, dass die Initiative von unten kommen muss“, betont Stadtentwicklungs-Expertin Weichelt. Demnach sollten alle, die Nahrung produzieren und konsumieren, zusammenkommen, um gemeinsame Konzepte auszuarbeiten, deren Umsetzung weder die Umwelt belastet, noch auf Kosten der zukünftigen Generationen oder der Menschenrechte geht.
Interessierte können sich selbst einen Eindruck verschaffen und noch bis zum 20. August 2020 für den Zukunftskongress anmelden, in dessen Rahmen der Workshop stattfinden wird. Dort werden auch Stimmen von Menschen zu hören sein, die selbst bereits Erfahrungen mit der „Foodrevolution“ sammeln konnten. Der weltweite Hunger wurde damit bislang zwar nicht besiegt. Die Erfahrungen aus Rio de Janeiro zeigen aber, dass Ernährungsräte das Potenzial haben, die Situation für viele Menschen wesentlich zu verbessern.