Es ist schön in Burundi, dem kleinen fruchtbaren Hügelland im Osten Afrikas. Die rote Erde, die fröhlichen Menschen könnten den Betrachter einlullen in ein vermeintliches Idyll – wüsste man nicht um die Riesenprobleme: dramatische Überbevölkerung, bitterste Armut, Flüchtlingselend, Bildungsnotstand, ethnische Dauerfehden, Rechtlosigkeit und Rachegefühle.
1962 beschloss die UNO, Ruanda und Burundi als separate Nachfolgestaaten des einst deutschen (Deutsch-Ostafrika, 1890-1916) und danach belgischen Mandatsgebietes Ruanda-Urundi in die Unabhängigkeit zu entlassen. Da waren die ethnischen Spannungen zwischen Hutu und Tutsi schon im Gange. Noch am Tag der staatlichen Unabhängigkeit zerbrach die burundische Regierungspartei in jene beiden Lager, die dem Land zum Schicksal werden sollten: gemäßigte prowestliche Tutsi und Hutu einerseits und radikale Tutsi andererseits.
Ende 1966 putschte das Militär unter General Michel Micombero gegen den erst 18-jährigen König Ntare V. Micombero und rief die Republik aus. Doch nicht Demokratie strebte der Tutsi-Nationalist an, sondern eine Beseitigung aller Hutu aus der Spitze von Verwaltung, Armee und Polizei.
Die Lage eskalierte, als der entmachtete König Ntare V. im März 1972 aus dem Exil zurückkehrte. Seine Motive sind unklar; jedenfalls wurde er verhaftet. Es folgten Massenverhaftungen von Hutu, die in einen Aufstand mündeten. Micombero behielt im sich entfesselnden Bürgerkrieg die Oberhand und ließ den König ermorden.
Im Laufe des Jahres 1972 tötete das Militär in Burundi geschätzt 100.000 bis 250.000 Hutu, weitgehend unbeachtet von der westlichen Öffentlichkeit. Die gesamte Bildungs- und politische Elite der Hutu war tot oder geflohen. Micombero hielt sich noch bis 1976 - dann wurde er auch er von Obristen weggeputscht. Im benachbarten Ruanda waren die ethnischen Verhältnisse umgekehrt, die Frontstellungen aber dieselben: zwei rivalisierende Volksgruppen, zusätzlich verstrickt in Stellvertreterkonflikte des Kalten Krieges.
Auch die sogenannte erste Republik in Ruanda (1962-1973) wurde von Mordwellen an Tutsi, Flucht und Vertreibung geprägt. Viele Tutsi lebten über Jahrzehnte in Nachbarländern. Im Gedächtnis der Hutu in Ruanda blieb das Tutsi-Massaker von 1972 an den Hutu im Nachbarland Burundi als Fanal haften. Als dann Exil-Ruander Anfang der 90er Jahre den Norden des Landes angriffen, um die Rückkehr von Tutsi-Flüchtlingen zu ermöglichen, sahen radikale Hutu ihre Stunde der Rache gekommen.
Nach dem Abschuss der Präsidentenmaschine über der Hauptstadt Kigali im April 1994 wurde über vereinbarte Signale im Rundfunk das Monster entfesselt. Der Völkermord in Ruanda mit bis zu 800.000 Toten – zumeist Tutsi und gemäßigte Hutu – zählt zu den größten Schrecken des 20. Jahrhunderts.
In Burundi wurde 2005 in der ersten freien Wahl überhaupt Pierre Nkurunziza, ein früherer Rebellenführer, zum Präsidenten gewählt. Über Jahre hielt der Hutu das Land auf einem leidlich stabilen Kurs – regierte dabei aber zunehmend autoritär. Bei den Wahlen am Mittwoch (20. Mai) tritt der 56-Jährige nun offiziell ab – doch im Hintergrund wird er die Fäden weiter in der Hand halten.