In Brasilien leben vermutlich 114 dieser Gemeinschaften in den Wäldern des nördlichen Amazonasgebiets. Mediziner Albertoni nahm selber für die Funai an mehreren Expeditionen zu ihnen teil. Zuletzt gehörte er 2019 einer Expedition an, die versprengte Gruppen des Korubo-Volkes besuchte. Dabei musste auf strengste Hygiene und Abstand zu den Indigenen geachtet werden, um Infektionen zu vermeiden.
„Selbst in der restlichen Gesellschaft als normal angesehene Krankheiten wie Masern und Röteln sind lebensbedrohlich für diese Indigenen. Denn dagegen haben sie keine Antikörper.“ Der beste Schutz sei es, die isolierten Völker einfach alleine zu lassen, sagt Albertoni. Dann seien sie sicher – „solange weder die Regierung noch Eindringlinge wie Goldsucher oder Holzhändler auf ihr Gebiet vordringen“.
Doch in den letzten Jahren haben sich Meldungen über illegale Aktivitäten von weißen Eindringlingen in den eigentlich unter Schutz stehenden Indigenengebieten gehäuft. Im Reservat der Yanomami an der Grenze Brasiliens zu Venezuela beispielsweise machen sich illegale Goldgräber breit. Ein enormes Risiko in den Augen von Albertoni und anderen Experten.
Die Regierung müsse ihren Beamten klarmachen, dass jedweder Kontakt zu vermeiden sei und sicherstellen, „dass niemand die Gebiete der isolierten Indigenen betritt", fordert der Arzt. Damit stößt er offenbar auf taube Ohren. Präsident Bolsonaro unterstützt die Goldgräber in ihrem Bestreben, die Vorkommen in indigenen Gebieten auszubeuten. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf hat er bereits in den Kongress eingebracht. Den Indigenen werde er hingegen "keinen Zentimeter neues Land mehr geben“, so der Ex-Militär.
Wenigstens die umstrittene Anordnung der Funai ist erst einmal vom Tisch, nachdem die Bundesstaatsanwaltschaft sich gegen sie ausgesprochen hatte. Zudem wies der Menschenrechtsrat der Regierung darauf hin, dass die Funai-Beamten vor Ort über keine ausreichende fachliche Qualifikation verfügten, um einen gesicherten Kontakt zu den Indigenen herzustellen. Doch solange die Regierung die Gebiete nicht wirksam gegen Eindringlinge absichert, besteht die Gefahr für die isolierten Völker weiter.
Von Thomas Milz
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