In den vergangenen Monaten kamen die Konflikte in Chile, Bolivien und Ecuador hinzu. In Chile ist es der Ruf nach einer neuen Verfassung und einer sozialeren Politik, in Ecuador waren die Bürger nicht bereit, für einen Deal der Regierung mit dem Internationalen Währungsfonds über den Subventionsstopp für Benzin und Diesel zu bezahlen. Und in Bolivien wehrten sich Millionen Menschen gegen den mutmaßlichen Wahlbetrug der Regierung des inzwischen ins Exil geflohenen Präsidenten Evo Morales.
Der lateinamerikanische Bischofsrat CELAM hat nun angesichts der aktuellen Krisen in Lateinamerika alle Beteiligten zu mehr Interesse am Gemeinwohl aufgerufen. In der gesamten Region erlebe man eine Art „sozialer Explosion”, die es bisher nicht gegeben habe, sagte CELAM-Präsident Miguel Cabrejos. Der Erzbischof der peruanischen Diözese Trujillo verwies auf die angespannte Lage in den Ländern Bolivien, Venezuela, Haiti, Honduras, Nicaragua, Puerto Rico, Ecuador, Chile und Peru. „Die Gründe für die Unruhen sind Korruption, ein Mangel an Demokratie, Armut, Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, aber auch ein kaum funktionierendes Gesundheits-, Bildungs- und Transportwesen”, so Cabrejos.
Der Erzbischof verurteilte Gewalt jedweder Art und rief zu einer friedlichen Lösung der Konflikte auf, die nur durch einen Dialog aller wichtigen Akteure und Institutionen zu erreichen sei. Die verantwortlichen Politiker mahnte er, dass Immunität nicht zu Straflosigkeit führen dürfe.
Die katholische Kirche bemüht sich in nahezu allen Ländern um eine aktive Rolle in der Vermittlung. In Ecuador gelang es der Kirche, zusammen mit der UN die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen. Die Unruhen gingen zu Ende, nun wird nach einer Lösung gesucht. Auch in Bolivien versucht die Kirche zu vermitteln. In Nicaragua und Venezuela bleibt den lokalen Geistlichen nichts anderes übrig, als den von der Regierung verfolgten Oppositionellen Schutz zu bieten oder aktiv die Not über Hilfsprogramme zu leisten. In Chile wird sie selbst zur Zielscheibe: In den vergangenen Wochen wurden ein halbes Dutzend Kirchen Opfer von Vandalismus und Zerstörung.
Der Bischofsrat CELAM mit Sitz in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota hatte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wichtige Impulse zur Entwicklung von Theologie und Gemeindestrukturen in Lateinamerika geliefert. In jüngerer Zeit war seine Rolle merklich schwächer geworden. Mit der Amazonas-Synode in Rom und dem inzwischen immer aktiver werdenden Amazonas-Netzwerk Repam ist eine gemeinsame lateinamerikanische Stimme aber wieder lauter zu hören.
Von Tobias Käufer (KNA)
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