Dezidiert will Haus Emmaus kein Heim nur für Christinnen sein. Die Platzvergabe folgt strikt der Warteliste, unabhängig von der Religion. Alles andere, sagt Schwester Hildegard, „wäre kein gutes Zeichen der Kirche“. Die Reaktionen der Angehörigen geben ihr Recht. „Immer wieder kommen Familienmitglieder unserer Bewohner, um freiwillig mitzuarbeiten – das ist ein tolles Zeichen, vor allem, weil Freiwilligenarbeit in dieser Gesellschaft unbekannt ist“, sagt die Ordensfrau.
Auch auf professioneller Ebene arbeiten Muslime und Christen gut zusammen. Die administrative Leitung der seit 2007 auf dem Grundstück angesiedelten Krankenpflegefakultät der Bethlehem Universität etwa liegt in den Händen eines Muslims aus Qubeibeh. Viele Studierende volontieren im Haus Emmaus. Seit ihrer Gründung ist die Fakultät damit zu einer wichtigen Stütze geworden. Die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohnerinnen, von denen etwa ein Drittel eine oder mehrere Behinderungen haben, erfordern viel Personal.
Das Niveau der Pflege ist hoch, nicht nur im Vergleich zur Pflege in Israel und Palästina, sondern „ganz bewusst als Wertschätzung der Menschen, aber auch um der Gesellschaft ein positives Beispiel zu geben“. Auch die Bezahlung der Angestellten ist im Vergleich sehr gut, als „eine Form der Gerechtigkeit“.
Heute kommen viele als hoffnungslos abgestempelte Fälle zu den Schwestern nach Qubeibeh. Fast immer sorgt die Entwicklung der Bewohner für Überraschung. Schafika zum Beispiel – die Aufmerksamkeit der Ordensfrau geht zu einer jungen Behinderten, die aus einer Zisterne befreit wurde – hat gehen, essen und sprechen gelernt. „Bei uns macht jeder Fortschritte!“
Einst war Haus Emmaus ein Honeymoon-Hotel für wohlhabende Palästinenser. Noch heute kommen manchmal Paare vorbei und erzählen von ihrer Hochzeit. Weit mehr Palästinenser dürften den hellen Kalksteinbau mit seinen freundlichen Mitarbeiterinnen inzwischen jedoch mit etwas anderem in Verbindung bringen: einem Ort, an dem die Schwächsten Mensch sein dürfen.
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