
Die echten Stars der WM in Russland
Fußball-WM ‐ Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland werden Messi, Kroos und Ronaldo bejubelt. Doch abseits der Stadien meistern viele Kinder, alte und kranke Menschen ein Leben mit besonderen Herausforderungen - auch nachdem der Fußballzirkus weitergezogen ist. Für Caritas international sind das echte Stars. Höchste Zeit, einige näher kennen zu lernen.
Aktualisiert: 13.06.2018
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Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland werden Messi, Kroos und Ronaldo bejubelt. Doch abseits der Stadien meistern viele Kinder, alte und kranke Menschen ein Leben mit besonderen Herausforderungen - auch nachdem der Fußballzirkus weitergezogen ist. Für Caritas international sind das echte Stars. Höchste Zeit, einige näher kennen zu lernen.
Andrej ist 16 Jahre alt und lebt mit seinen sechs Geschwistern und seiner Mutter in einer winzigen Gemeinschaftswohnung in St. Petersburg. Die Schule hat er abgebrochen, seine Mutter ist krank und kann sich kaum um die Kinder kümmern. Im Caritas-Kinderzentrum hört man ihm zu. Hier findet er wieder Motivation, zu lernen.
„Zuhause ist bei mir immer etwas los. In unserer kleinen Wohnung haben wir nur zwei Zimmer. Alleine sein kann man da nie und sich auf die Hausaufgaben konzentrieren erst recht nicht", erzählt Andrej. Um der Enge zu entfliehen, kommt er seit vielen Jahren in das von der Caritas betriebene Kinderzentrum Ostrowok – was übersetzt „kleine Insel“ bedeutet.

Eine Insel inmitten des Chaos
Eine Insel der Ruhe und Geborgenheit, die unscheinbar in einem Hinterhof gelegen liegt: Hier steht ein Tisch, an dem alle Kinder Platz finden und gemeinsam essen können. Zu Hause ist das bei Andrej aus Platzmangel nicht möglich. Hier bekommt er Hilfe bei den Hausaufgaben, hier sind Erwachsene, die sich für ihn interessieren, ihm zuhören.
Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die hier die Nachmittage verbringt. Ein Schutzraum, in dem Kinder Energie tanken und Geborgenheit erfahren, ehe sie sich wieder in einem lauten und oft nicht kindgerechten Umfeld behaupten müssen.
Als Andrej vor zehn Jahren zum ersten Mal ins Zentrum kam, war er ein kleiner Junge. Heute engagiert er sich dort als freiwilliger Helfer, gibt sein Wissen weiter und betreut die jüngeren Kinder, unter anderem seinen kleinen Bruder Vadim.
„Oft mache ich mich mit schlechter Laune auf den Weg zum Zentrum, weil zuhause wieder alles drunter und drüber geht und es meiner Mutter schlecht geht. Doch sobald ich durch die Tür gehe, ist fast alles vergessen, dann freue ich mich auf die gemeinsamen Aktivitäten mit meinen Freunden“, erzählt Andrej. „Hier macht das Lernen Spaß. Ich spiele gerne Gitarre, das hat man mir im Zentrum beigebracht.“
Andrej lernt abends und hilft tagsüber im Zentrum
Vor einem Jahr hat Andrej die Schule geschmissen. „Es ging einfach nicht mehr“, sagt er. Er kam mit dem Stoff nicht mehr mit. Zuhause fehlte das Geld, von seinen Mitschülern wurde er gemobbt. Ein Umstand, der Kindern aus dem Zentrum häufig widerfährt. Sie sind arm, sie haben kaum Geld für soziale Aktivitäten. Das macht angreifbar, erklärt die Sozialarbeiterin.
Andrej begann für einen Nachbarn auf Abruf Montagearbeiten zu erledigen. Seine Mutter freute sich über das zusätzliche Geld. Die Sozialarbeiterinnen des Ostrowoks wollten sich nicht damit abfinden, dass Andrej keinen Schulabschluss haben würde. Sie setzten sich so lange für ihn ein, bis er einen Platz an einer Abendschule bekam.
Von Montag bis Donnerstag drückt er ab halb fünf nun wieder die Schulbank. Davor und jeden Freitag ist er nach wie vor im Ostrowok. „Hier kann ich abschalten, hier bin ich willkommen, hier fühle ich mich wohl.“
© Caritas international