Frage: Glauben Sie, dass sich das Problem der Zwangsprostitution in den vergangenen Jahren in Deutschland noch verstärkt hat?
Haneke: Das ist schwierig zu sagen. Nach einer starken Liberalisierung der Prostitution seit 2002 ist das Prostitutionsgeschäft sehr angestiegen und man kann davon ausgehen, dass auch der Bereich, wo Frauen zur Prostitution gezwungen werden, mitgewachsen ist. Vielleicht ist mit dem Prostituiertenschutzgesetz vergangenes Jahr eine gewisse Wende eingetreten, weil die Polizei Bordelle besser kontrollieren und mehr gegen Zwangsprostitution unternehmen kann. Aber belastbare Zahlen dazu gibt es bislang noch nicht.
Frage: Welche Maßnahmen trifft Renovabis, um die Frauen zu schützen beziehungsweise zu reintegrieren?
Haneke: Wir unterstützen in mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern Organisationen, die Aussteigerinnen aus der Szene bei der Reintegration in die Gesellschaft helfen. Beispielsweise haben wir in der rumänischen Hauptstadt Bukarest mit der Organisation SOLWODI eine Beratungsstelle aufgebaut und es gibt dort auch ein Schutzhaus, wo die Frauen von SOLWODI betreut werden. In anderen osteuropäischen Ländern haben wir weitere Initiativen. Möglicherweise wird demnächst auch in Ungarn eine ähnliche Einrichtung eröffnet, die von Renovabis gefördert wird. Das ist ein Bereich, der noch ausbaufähig ist und wo wir unseren Partnern signalisieren, dass wir bereit sind, sie zu unterstützen.
Frage: SOLWODI engagiert sich ja auch in Deutschland und wirbt für ein Sexkauf-Verbot, wie es das bereits in Schweden gibt. Wie stehen Sie dazu?
Haneke: Ich bin auch für das sogenannte skandinavische Modell, bei dem die Freier unter Strafe gestellt werden. Auch die Franzosen haben sich kürzlich dem Verbot angeschlossen. Sobald etwas unter Strafe gestellt wird, verliert es diese Selbstverständlichkeit, mit der wir zurzeit in unserer Gesellschaft noch mit Prostitution umgehen. Solange Prostitution als ein Gewerbe wie jedes andere gilt, wird sich daran auch nichts ändern. Man sollte diesen Schritt wie in Schweden gehen, wobei es für eine solche Gesetzgebung in Deutschland im Moment wohl keine politischen Mehrheiten gibt.
Das Interview führte Claudia Zeisel
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