Unter dem aktuellen Präsidenten Michel Temer erlebe man derzeit eine „Rückkehr zum traditionellen Prinzip Herrenhaus und Sklavenhütte“, kritisiert Bolte. Ein Problem sieht der Brasilien-Experte aber auch bei Lula und seiner Arbeiterpartei: Sie habe nie über eine echte parlamentarische Mehrheit verfügt und daher viele Kompromisse geschlossen und strukturelle Reformen verpasst, „die das Leben der Armen grundlegend verbessern“.
Zum Verhängnis sei Lula geworden, dass er auch die versprochene Medienreform nicht angepackt habe. „Stattdessen hat auch er sich von dem alles beherrschenden Medienkonzern 'O Globo' hofieren lassen. Nach dem Ende seiner Präsidentschaft hat 'O Globo' ihn fallen lassen und ist heute das Zentrum der Kampagne gegen ihn“, erläuterte Bolte.
Lula war 2017 zunächst zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf lautete, er habe sich vom brasilianischen Baukonzern OAS bestechen lassen und im Gegenzug dem Unternehmen Aufträge des staatlich kontrollierten Ölkonzerns Petrobras verschafft. Lula hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Ein Berufungsgericht erhöhte die Strafe im Januar sogar auf zwölf Jahre. Jetzt entschied ein Bundesgericht, dass er seine Haftstrafe sofort antreten muss.
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