Frage: Die Kirche hat sich nicht nur für strengere Waffengesetze ausgesprochen, sie hat sich in jüngster Zeit auch bei den Protesten und Kampagnen für ein Bleiberecht der sogenannten „Dreamer“ eingesetzt. Ist die katholische Kirche in den USA unter Donald Trump insgesamt politischer geworden?
Brüntrup: Trump hat die gesamte Gesellschaft extrem polarisiert. Die katholische Kirche kann sich weder von seinem Charakter, seiner Person, von seinem Auftreten noch von seinen Inhalten her auf die Seite Trumps stellen. Obwohl er in manchen Punkten wie etwa bei der Abtreibung der katholischen Kirche sehr viel näher steht als Hillary Clinton. Aber die politische Gesamterscheinung und das Gesamtprogramm Trumps sind so, dass es an vielen Punkten der katholischen Soziallehre widerspricht. Das hat auch schon zur Konsequenz gehabt, dass ihn die Bischöfe deutlich kritisiert haben. Die Stimmung im Lande ist extrem aufgeheizt. Die Leute vermeiden oft in Gruppen das Thema Politik, es sei denn, sie sind sich sicher, dass alle im Raum der gleichen Meinung sind. Weil eben sonst alles explodiert. Das war früher nicht so, da gab es mehr Gemeinsamkeiten in den politischen Lagern.
Die Kirche mischt sich jetzt wie auch schon früher ein, gerade auch für die Einwanderer. Man muss bedenken, dass die katholische Kirche in den USA eine Einwanderungskirche ist. Der Anteil der Katholiken wächst und diese Zuwanderer kommen vor allem aus Mittel- und Südamerika sowie teilweise auch aus Asien. Von daher ist es verständlich, dass die katholische Kirche in den USA die Interessen ihrer eigenen Mitglieder unterstützt.
Frage: Inwiefern halten Sie es für notwendig, dass die Kirche in den USA ihre Stimme für die Rechte von Migranten, aber auch für Frieden und Sicherheit erhebt?
Brüntrup: Die amerikanische Demokratie ist in einer der größten Krisen ihrer Geschichte durch die Trump-Administration und die Wähler-Gruppen, die ihn an die Macht gespült haben. Ich würde Trump selbst nicht als Faschisten bezeichnen, aber es gibt in seinen Unterstützerkreisen – ähnlich wie bei der AfD – doch Menschen mit faschistoiden Tendenzen, die das politische Ideal der Republik und der demokratischen Ordnung nicht teilen. Das sind Rassisten, die eine „ethnische Säuberung“ der USA wollen. Sie wollen möglichst viele nicht-weiße Amerikaner wieder rauswerfen oder gar nicht erst reinlassen. Das widerspricht durch und durch dem christlichen Menschenbild und der katholischen Soziallehre und von daher ist es unerlässlich, dass die Kirche da ihre Stimme erhebt – und zwar lautstark.
Das Interview führte Claudia Zeisel
Der Jesuit Godehard Brüntrup ist seit 2003 Professor für Metaphysik, Philosophie des Geistes und Sprachphilosophie an der Jesuitenhochschule für Philosophie in München. Außerdem lehrt und forscht er seit über 30 Jahren an verschiedenen Universitäten in den USA.
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