In der Tat sind die Kirchenoberhäupter wichtige Identifikationsfiguren. „Wenn die Menschen sehen, dass ich wieder zurückgehe, dann tun sie das auch,“ sagt zum Beispiel Jacques Ishak Saleba. Auch er als früherer chaldäischer Bischof musste vor dem IS fliehen.
Seine Stadt Karakosch, zwischen Erbil und Mossul gelegen, ist die größte noch verbliebene Stadt des Irak mit mehrheitlich christlicher Bevölkerung – wenn die Menschen sich denn wieder hier ansiedeln können. „Ich sehe die Chancen bei 50 zu 50“, sagt Stephen Rasche aus Erbil. Bischof Ishak jedenfalls wird demnächst wieder in sein Bischofshaus zurückkehren.
Aber noch ist es nicht so weit, wie ein Besuch dort zeigt. „Alles haben sie geraubt,“ sagt der 79-Jährige. Er besaß eine große Bibliothek – Werke in Englisch, in Arabisch, in Aramäisch. „Auch ich selbst habe 22 Bücher veröffentlicht“, sagt Bischof Ishak. Jetzt sind alle Möbel weg, alle Bücher wurden aus den Regalen gerissen und vermutlich verbrannt.
Dafür beschmierten die Eindringlinge die Wände des Bischofshauses. „Lang lebe das Kalifat!“ – „Lang lebe unser Kalif!“. Sogar die Umrisse der IS-Flagge kritzelten sie an die Wand. Während Bischof Ishak durch die verlassenen Räume geht, schüttelt er nur den Kopf. „Aber wie gesagt: Ich komme zurück.“
„Der Irak braucht uns Christen doch mehr denn je“
Die Kirchenvertreter wollen die Hoffnung auf einen neuen Anfang nach der Katastrophe unter allen Umständen am Leben erhalten. In der einstigen IS-Hochburg Mossul werden zwar vermutlich keine Christen mehr leben können, heißt es überall. Zu tief verwurzelt seien die Hasspredigten der Islamisten, zu groß das Misstrauen zwischen Christen und Muslimen. Aber die Kirche selbst will ihre Präsenz dort nicht aufgeben. Vielleicht ein Priester irgendwo, in einer kleinen Kirche. Zeugnis ablegen, bis zuletzt.
Aber nicht nur das. „Nicht nur wir Christen brauchen den Irak“, sagt der assyrische Erzdiakon Emanuel Youkhana. Er ist überzeugt: „Mehr denn je braucht der Irak uns Christen!“ Emanuel Youkhana leitet die Organisation CAPNI („Christian Aid Program Northern Iraq“), die er schon zu Zeiten von Saddam Hussein in den 1990er-Jahren gegründet hat. „Wo andere Mauern bauen, da können wir Christen Brücken bauen,“ betont er.
Und das sind keine leeren Worte, denn CAPNI hat bereits 300 Häuser in der Ninive-Ebene wieder aufbauen können. Die Organisation betreibt Kindergärten und Schulen, kümmert sich um eine medizinische Versorgung. Davon profitieren alle, nicht nur die Christen. Der Irak brauche die Vielfalt der Kulturen und Religionen, sagen sie bei CAPNI. „Sonst gibt es am Ende nur eine Farbe: Schwarz.“ Die Farbe des Islamischen Staates.
Emanuel Youkhana weiß: Wer geflohen ist und wieder in die Heimat zurück möchte, hat ganz konkrete Fragen, von denen die Entscheidung zur Rückkehr abhängt. Gibt es Arbeit, kann ich Geld verdienen? Können meine Kinder irgendwo in die Schule gehen? Was mache ich, wenn jemand krank wird? „Und,“ sagt Emanuel Youkhana, „sie fragen immer wieder: Werden wir in Sicherheit leben können?“