Frage: Die Indigenen sind also weitestgehend autark, das allein macht ihre Situation angesichts der Klima- und Landwirtschaftskrise aber nicht einfacher.
Walpole: Durch wie viele Krisen sind die Indigenen bereits gegangen: Identitätskrisen, existenzielle Krisen, die Frage nach der Zugehörigkeit. Vor allem die indigenen Jugendlichen beschäftigt die Frage nach der Zugehörigkeit: Wenn sie nicht das Gefühl haben, dass sie zu dieser Welt und dem Leben um sie herum dazugehören. Auch hundert Jahre nach Ende der Kolonialzeit auf den Philippinen hat die Regierung es nicht geschafft, die Indigenen zu integrieren. Es geht hier auch oft um massive menschenrechtliche Probleme gerade bei den Bauern.
Ich habe über zwanzig Jahre mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zusammengearbeitet, um die Menschen in Asien in der Landwirtschaft und im Waldschutz zu unterstützen. FAO steht immer noch dahinter, aber sie übersehen die massiven menschenrechtlichen Probleme, die heutzutage damit einhergehen. In der Aggressivität, wie die Agrarindustrie heute betrieben wird vom Amazonas bis Indonesien, werden Menschen vertrieben und enteignet. Es ist sehr leicht geworden, die Leute einzuschüchtern, zu manipulieren, die Gemeinschaften zu spalten. Das geschieht sowohl in der Bergbauindustrie als auch in der Landwirtschaft.
Wir tun nichts dafür, den natürlichen Kreislauf des Ökosystems zu nutzen, wie es eine indigene Gemeinschaft tun würde. Sie würden niemals alles für sich haben wollen. In den meisten indigenen Gemeinschaften würde niemand sagen: „Ich besitze das Land“. Darüber lachen sie nur. Sie sagen vielmehr: „Ich gehöre dem Land, ich komme aus der Erde und ich gehe dorthin zurück.“ Sie sind nicht so kontrollsüchtig und sie würden immer teilen. Aber sie sind gezwungen, sich am stärksten an diese neuen Bedingungen – auch an den Klimawandel – anzupassen. Man kann nicht von diesen Ländern erwarten, alle Anpassungen alleine zu stemmen. Und meine Botschaft an die Industrieländer: Geben Sie uns nicht nur eine technologische Lösung, sondern eine menschliche!
Das Interview führte Claudia Zeisel
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