Immer mehr Radikale kommen aus dem arabischen Ausland
Sie bauen Brunnen, stellen Werkzeug und Saatgut zur Verfügung, damit die Menschen in der trockenen Sahel-Region auf ihren Feldern einen besseren Ertrag erwirtschaften können. Und damit die Terroristen weniger Unterstützung bekommen. François Ramdé ist überzeugt: Wenn die Menschen arm bleiben und keine Perspektive auf ein besseres Leben haben, dann haben die Terroristen leichtes Spiel. Seit der Tuareg-Rebellion von 2012 und der Machtübernahme durch Islamisten in Nord-Mali kamen viele hundert Menschen als Flüchtlinge herüber nach Burkina Faso. Sie leben bis heute in Lagern der Vereinten Nationen.
Es hält sich der Verdacht, dass auch einige Kriminelle die Flüchtlingslager als Unterschlupf genutzt haben. Bewiesen ist das bisher nicht. Die Grenze zu Mali und Niger ist 1300 Kilometer lang – unmöglich, jeden Abschnitt zu kontrollieren. Erst im Dezember gab es wieder einen Überfall auf eine Kaserne der burkinischen Armee. Zwölf Soldaten starben.
Das Toleranzmodell Burkina Faso wird vor allem an seinen Rändern erschüttert. „Wir dürfen dabei eines nicht vergessen,“ sagt Bischof Joachim. „Auch unter den Christen gibt es welche, die nicht tolerant sind.“ Für steigende Spannungen zwischen den Religionen werden oft auch die aufstrebenden evangelikalen Pfingstgemeinden verantwortlich gemacht, die in ganz Afrika an Zulauf gewinnen. Zum Beispiel in der alten Kolonialstadt Bobo-Dioulasso, im Süden des Landes.
Durch den hektischen Straßenverkehr der zweitgrößten Stadt von Burkina Faso zwängt sich ein Lastwagen, auf dessen offener Ladefläche an die dreißig Frauen und Männer jubeln, tanzen und singen. Sie werfen Flugblätter in die Luft und werben für einen großen Auftritt. Vor ihnen fährt ein Geländewagen, in dem ein fast noch jugendlich wirkender Mann sitzt. Sein Gesicht ist auch auf den Flugblättern zu sehen: Daniel Kolenda, charismatischer Prediger der protestantischen Freikirche „Christ for all Nations“, die vom Deutschen Reinhard Bonnke in Nigeria gegründet wurde. Die Fahrzeuge sind auf dem Weg zum traditionellen Oberhaupt der Stadt. Daniel Kolenda will um Erlaubnis für die geplante Veranstaltung bitten. An den folgenden Tagen wird er ein ganzes Sportstadion füllen und von Jesus Christus predigen. „Den Islam greifen wir nicht an“, betonte er vor kurzem in einem Interview. Trotzdem spricht er in seinen Werbebotschaften von einem „Kreuzzug für das Evangelium“. Kirchengründer Bonnke trägt den Spitznamen: „Mähdrescher Gottes“. Daniel Kolenda holt Menschen auf die Bühne, die angeblich von schweren Leiden geheilt wurden. Einer Muslimin im Schleier überreicht er eine Broschüre mit dem Titel: „Jetzt bist du gerettet“.
Während Prediger Kolenda und seine Entourage vorbeiziehen, öffnet ein Mann namens Alassane Bisiri das Tor zur großen Moschee von Bobo-Dioulasso. Es ist eines der Lehmgebäude, wie sie in der Region typisch sind. Auch in Mali und Ghana finden sich solche Gotteshäuser, deren Mauern jeweils nach der Regenzeit neu verputzt werden müssen. Die Moschee steht seit mindestens 1882 hier. Die Vorfahren von Alassane Bisiri haben sie erbaut. Er zeigt die Gebetsräume und gibt Auskunft über die Geschichte des Bauwerks. Über eine enge Wendeltreppe gelangt er nach oben, auf das Dach, von dem aus früher der Muezzin den Gebetsruf verkündete und heute elektrische Lautsprecher an dessen Stelle getreten sind. Alassane Bisiri sagt: „Ich weiß nicht wie es in anderen Ländern ist, aber hier in Burkina Faso respektieren sich die Religionen. Christen und Muslime müssen gemeinsam für den Frieden arbeiten.“