Frage: Momentan liegt der Fall KiK noch einem Gutachter vor. Der Ausgang des Verfahrens ist also noch offen. Welchen Symbolwert hätte eine tatsächliche Verurteilung von KiK für die Textilindustrie?
Lankes: KiK ist Branchenführer und aus betriebswirtschaftlicher Sicht sehr erfolgreich. Ich denke, dass es viele Textildiscounter und -hersteller gibt, die gerne so gut wären wie KiK. Wenn das Gutachten also sagt, dass eine Klage gegen KiK nach pakistanischem Recht und vor einem deutschen Gericht möglich ist und wenn die Klage zugunsten der Kläger entschieden wird, würde das die Billigware Mensch weniger billig, fast teuer machen. Immerhin haben wir hierzulande NGOs wie das European Center for Constitutional and Human Rights (EECHR) und Vereine, wie seit über 40 Jahren die Fair-Handels-Bewegung. Sie arbeiten dafür, dass Menschen überall ihre Würde genießen können. Verliert KiK diesen Fall, bedeutet das eine unglaubliche Chance für Betroffene weltweit – und enorme Kostensteigerungen bei Unternehmen, die ihren Erfolg der Billigware Mensch verdanken.
Frage: Wie optimistisch sind Sie, dass das passiert?
Lankes: Es gibt keinen verlorenen Fall. Wenn der Fall nicht durchgeht, das Gutachten negativ ist, es zu keiner Klage kommt, haben wir immerhin gezeigt: es gibt eine massive Rechtslücke. Wir haben noch kein Unternehmensstrafrecht in Deutschland. Noch bezieht sich das bisschen einschlägige deutsche Recht ja nur auf das Handeln deutscher Unternehmen in Deutschland mit deutschen Opfern und Klägern. Aber was ist mit multinationalen Unternehmen aus Deutschland, die mit ihren Tochterunternehmen oder Zulieferern im Ausland gegen Regeln verstoßen? Das Grundprinzip der beschränkten Haftung, dass ein Unternehmen strikt nur für sein eigenes Handeln verantwortlich ist, wird auch dadurch erschüttert, dass wir offensichtliche Ungerechtigkeit sehen. Sollte das Gutachten negativ ausfallen, dann würde das der Sache auf lange Sicht trotzdem dienen. Wir sehen international eine Bewegung zu mehr Unternehmensverantwortung, auch KiK hat reagiert, ist Mitglied im Textilbündnis geworden, hat in einem davon unabhängigen freiwilligen, internationalen Dialogverfahren versprochen, 5,15 Millionen US-Dollar an die Betroffenen in Pakistan zu zahlen. Es kommt also Bewegung in die Textilbranche.
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Das Interview führte Claudia Zeisel.
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