Frage: Sie haben auch mehrere Orte im Nordirak besucht. Dort unterstützt Kirche in Not unter anderem ein Wiederaufbauprogramm für christliche Dörfer. Wie war ihr Eindruck von den Arbeiten?
Fenbert: In Karakosch werden zurzeit rund 300 Häuser mit der Unterstützung von Kirche in Not wiederaufgebaut. 244 sind schon fertig, weitere 84 Häuser werden in den nächsten zehn Tagen fertig. In einem der frisch renovierten Häuser wohnt jetzt eine siebenköpfige Familie, deren Mitglieder vorher als Flüchtlinge mit mehreren Familien auf engstem Raum gehaust hatten. Die Familie hat nun zwei Monate zur Säuberung und Renovierung gebraucht. Sie mussten neue Fenster einsetzen, neue Schlösser, Wärmedämmung, Sanitäranlagen, den Fußboden schrubben, neue Möbel beschaffen, da alles geklaut wurde. Nach Angaben der Kirche in Karakosch kehren pro Tag im Schnitt fünf Familien zurück, bislang sind rund 1.000 Familien wieder da.
Ich war auch in Telskuf, wo die Wiederaufbauarbeiten am weitesten fortgeschritten sind. Dort hat es trotz starker Hitze mit bis zu 50 Grad Straßenarbeiten gegeben, Bürgersteige wurden gebaut, Läden renoviert, es wurde gespachtelt und gemalt. Wir waren auch in der „Sankt Georg“-Kirche vor Ort in Telskuf, wo die Menschen beim Wiederaufbau halfen. Ich habe in diesem Ort junge Leute zwischen 17 und 30 Jahren getroffen, die bis zu zwölf Stunden am Tag ehrenamtlich arbeiten. Sie sind froh, dass sie nach Monaten, gar Jahren in Flüchtlingscamps und Notunterkünften nun wieder eine Aufgabe haben. Der Fleiß und Wille zum Wiederaufbau dieser Leute ist enorm. Allerdings zeichnet sich ein neuer Konflikt ab: Am 25. September ist das Unabhängigkeitsreferendum der Kurden.
Frage: Was ist da in Ihren Augen die Gefahr?
Fenbert: Die Christen sind uns gegenüber bei diesem Thema sehr zurückhaltend, denn sie stehen zwischen allen Fronten. Wenn das Referendum mit „Nein“ zur Unabhängigkeit Kurdistans ausgeht, könnten die Kurden den Christen unterstellen, dass sie mit Nein gestimmt haben und ihnen Schwierigkeiten machen. Sollte das Referendum mit „Ja“ ausgehen, würde die Türkei sicher nicht zuschauen, dass vor ihrer Haustür ein Unabhängigkeitsgebiet der Kurden entsteht. Das Einzige, was mich hoffnungsvoll stimmt, ist, dass der 25. September der Tag des heiligen Nikolaus von der Flüe ist, der für den Frieden steht. Auf seine Fürsprache hoffe ich, damit es eine friedliche Lösung gibt und sich dort kein neuer Konfliktherd auftut.
Das Interview führte Claudia Zeisel
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