Die Afrikanische Union, die G20-Staatengruppe, die Europäische Union und auch Deutschland versuchen, auf diese Herausforderungen zu reagieren. Das Entwicklungsministerium hat dafür kürzlich seinen „Marshallplan mit Afrika“ vorgestellt. Der Plan umfasst unter anderem Anreize für privatwirtschaftliche Initiativen und Investitionen, eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit reformwilligen Ländern und einen Schwerpunkt auf Ausbildung und Arbeit, aber auch mehr Engagement für einen gerechten globalen Ordnungsrahmen und legale Wege der Migration. Mehr als 20 Millionen Arbeitsplätze müssten jedes Jahr neu entstehen, um der jungen Bevölkerung eine Chance zu geben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Vieles dieser angestrebten Neuorientierung der Entwicklungszusammenarbeit weist in die richtige Richtung. Entscheidend ist aber, dass dabei ein Perspektivwechsel stattfindet, der neue Wege denkbar und möglich macht. Weg von der nachholenden Entwicklung „unterentwickelter“ Länder hin zur gemeinsamen Aufgabe der Steuerung einer globalen Entwicklung, welche den gleichen Anspruch auf Würde und Lebenschancen aller Menschen umsetzt und dabei ökologische Kreisläufe und kulturelle Verschiedenheiten respektiert. Das schließt auch die Beseitigung zahlreicher Fehlentwicklungen ein, zu denen an erster Stelle verfestigte Ausbeutungsstrukturen gehören.
Eine solche gemeinsame, aber von Land zu Land unterschiedlich wahrzunehmende Verantwortung für das globale Gemeinwohl erfordert, Entwicklung als gemeinschaftliche und umfassende Aufgabe zu verstehen. Hier bieten die internationale Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und Laudato si‘ wichtige Anhaltspunkte. Ohne eine kohärente Politik, in die sämtliche Ressorts eingebunden sind, wird sich der notwendige Perspektivwechsel nicht vollziehen lassen. Der Abbau globaler Ungleichheiten innerhalb ökologischer Leitplanken berührt alle Politikfelder im In- und Ausland. Von der Gestaltung der Handels- und Agrarpolitik über die Steuerpolitik und die Einwanderungspolitik, dem Ordnungsrahmen für wirtschaftliches Handeln bis hin zur Verkehrs- und Energiepolitik – alle Bereiche sind gefragt, wenn es darum geht, welche Beiträge wir zu einer gerechten, sozialen und ökologisch nachhaltigen Globalisierung leisten können und müssen – zumindest wenn wir den eigenen Ansprüchen an Gleichheit, Freiheit und Solidarität auch in globalem Maßstab gerecht werden wollen.
Von Monsignore Pirmin Spiegel, Misereor-Hauptgeschäftsführer
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