Ich stehe weder auf der einen noch der anderen Seite, ich bin mit beiden. Ich habe viel gelitten auf diesem dritten Weg. Ich wurde falsch verstanden. Wenn ich mich weigere, schlecht über den einen oder den anderen zu reden, beschuldigt man mich, ein Befürworter der einen oder der anderen Seite zu sein. Ich wurde ausgegrenzt, verschiedenste Gemeinden wollten nicht mehr von mir betreut werden. Das war der Moment, in dem ich verstanden habe, dass der dritte Weg mich zum Kreuz führt. Ich habe das akzeptiert.
Mein Weg ist ein Weg, der „Nein“ sagt zu Gewalt, „Ja“ zum Dialog, „Nein“ zur Einförmigkeit, „Ja“ zur Vielfalt, „Nein“ zur Rache, „Ja“ zur Vergebung. Der Flüchtlingsdienst der Jesuiten (JRS) war für mich der Ort, an dem ich die Samen für diesen Weg säen konnte, die nur mit dem Schweiß der humanitären Arbeit gedeihen konnten. Fünf Jahre Arbeit und die kleinen Pflänzchen einer neuen Gesellschaft sind gewachsen.
Annäherung von Christen und Muslimen – ein positiver Effekt des Krieges
Beim JRS arbeiten Muslime und Christen Seite an Seite, in Respekt für den Glauben des jeweils anderen. Unter unseren Freiwilligen gibt es eine große Vielfalt an religiösen, sozialen und politischen Überzeugungen. Wir sind auf vielen Ebenen sehr unterschiedlich. Aber die eine Sache verbindet uns: der dritte Weg. Die Würde des Menschen und seine Rechte. Egal wer er ist.
Auf diesem Weg hat der christliche Freiwillige gelächelt, wenn der muslimische Hilfsempfänger ihn wie einen Gottlosen behandelt hat und der muslimische Freiwillige, wenn ein Christ ihn beschuldigte, schuld an diesem Krieg zu sein. Auf diesem Weg haben die muslimischen Hilfesuchenden erklärt, dass ein positiver Aspekt des Krieges sei, dass man die Bekanntschaft mit den Christen gemacht habe. Man habe herausgefunden, dass sie „nicht schlecht sind“, wie man es ihnen zuvor nachgesagt hatte. Die Christen wiederum haben bei den Muslimen spirituelle Werte entdeckt, die es verdient haben, gewürdigt und übernommen zu werden.
Die Geisteshaltung der Menschen zu ändern benötigt viel Zeit
Unser Weg ist nicht einfach. Wir sind immer noch am Anfang. Die Geisteshaltung zu ändern benötigt viel Zeit. Wir erleben das auch an uns selbst. Manchmal brechen die alten fanatischen, sektiererischen und diskriminierenden Ideen auch in uns wieder auf. Wichtig ist, dass wir diesen Weg gehen.
Wir bei JRS haben viele Projekte in Aleppo umgesetzt. Einige laufen weiter, andere wurden aus verschiedensten Gründen gestoppt. Wir haben im Hagel der Bomben gearbeitet. Wir haben den Mangel an Wasser, Strom und Heizungswärme ertragen. Wir sahen uns Drohungen bewaffneter Männer ausgesetzt, die sich das nehmen wollten, wozu sie keinerlei Recht hatten.
Unter diesen schwierigen Bedingungen habe ich versucht, so lange wie möglich zu bleiben. Ich reise nur wenig. Ich verbringe meinen Tag in den Sozialzentren, um Menschen zu empfangen, ihnen zuzuhören, sie zu beruhigen. Ich empfange die, die mit Waffen kommen und ich mache ihnen deutlich, dass sie das Recht verteidigen sollen statt es zu verletzen. In meinen Ansprachen versuche ich immer die Hoffnung der Menschen aufrecht zu halten.