Frage: Und wie gestaltet sich die Lage der Flüchtlinge im Land?
Schroedel: Ägypten nimmt seit Jahren sehr viele Geflüchtete auf, etwa aus dem Sudan. Und das obwohl hier mittlerweile 93 Millionen Menschen auf einem Gebiet leben, das, wenn man die Wüste abzieht, viel kleiner ist als die Bundesrepublik. Die Situation der Flüchtlinge ist aber freilich nicht so, wie wir es aus Deutschland kennen; dass man den Menschen entgegen kommt und ihnen ein gutes Auskommen gewährt. Ihre Lage ist alles andere als erfreulich. Aber dennoch: Die Ägypter lassen die Flüchtlinge erst einmal hinein, anstatt eine Mauer zu bauen.
Frage: Also wäre ein Flüchtlingsdeal mit Ägypten für die Geflüchteten trotz allem eine gute Sache?
Schroedel: Das wäre es wohl schon – aber nicht unter der Bedingung, die Situation der Menschenrechte hier im Lande zu verleugnen. Das ist ein großes Problem, das heute noch virulenter ist als unter Hosni Mubarak. Es ist sehr schwierig geworden. Wir können nur hoffen, dass die Regierung alles tut, auch kritische Meinungen zuzulassen und damit den Staat voran zu bringen. Unterdrückung hilft nicht und das sollte die Bundeskanzlerin ins Wort bringen.
Frage: Sie sagen, dass gebildete Christen die Aussage Merkels über ihre Lage kritisch sehen. Auf dem Reiseplan der Kanzlerin steht auch eine Begegnung mit dem koptischen Papst Tawadros. Ist dieses Treffen ein Versöhnungsangebot?
Schroedel: Bezüglich des Verhältnisses von Thron und Altar in Ägypten gäbe es einiges anzumerken. Nur so viel: In den vergangenen Jahren gab es eine Annäherung und verschiedene Solidaritätsbekundungen. Die Christen sehen, dass Kirche und Staat sich nahe sind. Präsident Sisi versucht alles, um den Christen zu zeigen: Ihr seid Ägypter. Das sind aber Worte, denen auch Taten folgen müssen und das vermissen viele.
Frage: Vor wenigen Tagen haben die Terroristen des „Islamischen Staates“ erklärt, die ägyptischen Christen seien ein bevorzugtes Ziel ihrer Anschläge. Wie wirkt sich das auf Ihre Situation aus? Ist das einfach nur Propaganda?
Schroedel: Der Daesh ist natürlich eine Größe, die man ernst nehmen muss. Vor allem im Norden des Sinai. Hier im Zentrum des Landes, in Kairo, aber auch entlang des Nil spielt die Organisation eine eher untergeordnete Rolle. Natürlich beobachten wir immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Islam und Christentum gerade in Mittelägypten. Aber die Terroristen haben keinen Rückhalt in der Bevölkerung.
Frage: Sie haben also keine Angst?
Schroedel: Nein, habe ich nicht.