Wie gehen die Menschen mit der Rückeroberung des Ostteils durch die syrische Armee um?
Bröckelmann-Simon: Man spricht von etwa 100.000 Menschen, die noch in Ost-Aleppo verstreut leben. Immer wieder sieht man da zwischen den Ruinen dann doch noch ein wenig menschliches Leben, wenn jemand in den Ruinen Unterschlupf gesucht hat, mit Decken die Fensterhöhlen abgehängt hat und da das Leben fristet. Aber das Gros der Bevölkerung ist da nicht mehr, weil man da nicht mehr wohnen kann, das ist alles kaputt. Das einzige menschliche Leben, auf das Sie regelmäßig treffen, sind Soldaten. Das ist schon gespenstisch.
Es gibt natürlich auch noch Gegenbewegungen, Menschen, die zurückkehren. Mir ist das Bild eines Mannes in Erinnerung geblieben, der versuchte, die Fensterläden seines Hauses zu richten. Sie stoßen zwischendurch auch immer wieder mal auf Menschen, die anfangen, etwas aufzubauen. Das sind winzige Pflänzchen Hoffnung. Ein wenig besser ist es in Homs, um die Stadt herum in den Randbezirken. Da beginnt das Leben wieder und offenbar gehen auch Leute allmählich wieder nach Homs zurück – zumindest teilweise. Aber Homs hatte vor dem Krieg noch 450.000 Einwohner, jetzt sind es 50.000. Das wird noch lange dauern und viele werden sich nicht trauen, zurückzukehren. Aber an den Rändern kehrt das Leben allmählich zurück und die Hoffnung besteht natürlich auch für Aleppo, dass das gelingen möge. Nur darf man sich keine Illusionen machen, der Krieg ist nach wie vor da. Sie hören Gefechtslärm, in der Nacht besonders stark, die Frontlinie verläuft drei bis fünf Kilometer vom Zentrum Aleppos entfernt. Der Krieg ist nah, bedrohlich nah. Und niemand wird es wagen, zu behaupten, dass hier eine stabile Friedenssituation wäre. Die Menschen haben wenig Hoffnung, aber sie sind erst einmal froh, dass die Waffen in Aleppo selber schweigen. Die Hölle war ja nicht mehr auszuhalten für die Menschen. Auch jene, die keine Freunde des Assad-Regimes sind, sind froh, dass jetzt nicht mehr gekämpft wird.