Ein Menschenrecht – aber nicht überall?
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Ein Menschenrecht – aber nicht überall?

Religionsfreiheit ‐ Von subtiler Beschränkung bis zur rohen Gewalt - das Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist in vielen Ländern bedroht. Das zeigt ein neuer Bericht, der erstmals von der Bundesregierung vorgelegt wurde. Außenminister Steinmeier warnt: Auch in Deutschland gebe es Angriffe auf religiöse Minderheiten.

Erstellt: 09.06.2016
Aktualisiert: 09.06.2016
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Erstmals hat die Bundesregierung einen eigenen „Bericht zur Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ vorlegt. Mit der Studie, die das Kabinett am Mittwoch verabschiedete, entsprach sie einem Auftrag des Parlaments vom Vorjahr. Bei der Vorstellung des 97-seitigen Berichts beklagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) „mehr oder minder schwerwiegende“ Rechtsverletzungen der Religionsfreiheit weltweit. „Wir müssen auch den Blick nach innen richten“, sagte Steinmeier. Auch in Deutschland gebe es Antisemitismus und Angriffe auf religiöse Minderheiten, etwa in Flüchtlingsunterkünften.

„Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit gehören zusammen“, bekräftige der Außenminister. Die positive Religionsfreiheit sei ebenso wie die „negative Religionsfreiheit“, also keinem Glauben anzugehören, schützenswert. Der Bericht zeige, dass Einschränkungen der Religionsfreiheit vielfach politische Gründe hätten, etwa wenn die religiöse Mehrheit an der Macht sei und eine Minderheit unterdrücke.

Schwindende Staatlichkeit als Auslöser

Oft seien auch schwache politische Strukturen Auslöser für Einschränkungen der Religionsfreiheit, so Steinmeier weiter. Wenn der Staat nicht mehr in der Lage sei, die Sicherheit aller zu gewährleisten, seien Minderheiten den religiösen Mehrheiten ausgeliefert, etwa in Libyen, Syrien und dem Irak.

Religiöser Fanatismus könne auch „Brandbeschleuniger in Konflikten“ werden. „Häufig ist es nicht die Religion, die den Anlass zum Konflikt bietet“, so Steinmeier. Aber sie werde genutzt, um den Konflikt zu schüren.

Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Ländervergleich

Der Bericht, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt, gründet auf „einem weiten Verständnis von Religion und Weltanschauung“. Die Studie erläutert zunächst die komplexe Dimension der Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Das zeigt etwa ein erster Blick auf den Umgang mit religiösen Symbolen: In Frankreich ist das deutlich sichtbare Tragen religiöser Symbole an Schulen verboten, in Saudi-Arabien ist das sichtbare Tragen von nichtislamischen religiösen Abzeichen untersagt, und in China dürfen Staatsangestellte und Parteifunktionäre sowie Lehrer und Schüler keine religiösen Symbole tragen.

Allerdings stehen die Verbote in einem sehr unterschiedlichen Kontext, vom staatlichen Laizismus über den religiös verfassten Staat bis zur atheistischen Staatsideologie. Deutlich wird dies beim Recht auf Religionswechsel: Während dies in Frankreich kein Problem darstellt, weist der Bericht darauf hin, dass „Staaten mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung zum Teil drakonische Strafen für die öffentliche Abkehr vom Islam“ vorsehen, etwa im Rahmen von Konversionen. Das gilt nicht nur in Saudi-Arabien, sondern auch in Afghanistan, Brunei, Iran, Jemen, Malediven, Mauretanien, Sudan oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. In anderen Ländern nehmen die Behörden wiederum die Abkehr vom Islam „administrativ schlicht nicht zur Kenntnis“, etwa in Ägypten, Jordanien oder Marokko.

Unterschiedliche Formen der Diskriminierung

Der Bericht zeigt unterschiedliche Formen der Diskriminierung auf, etwa familien- und erbrechtliche Folgen sowie soziale Stigmatisierung. In der Türkei werden nichtmuslimische Religionsgemeinschaften nicht als juristische Personen registriert. Daraus resultieren Beeinträchtigungen. Thematisiert werden aber auch andere Staaten, in denen im Namen einer vorherrschenden Religion Menschen anderen Glaubens unterdrückt, verfolgt oder diskriminiert werden, vom Buddhismus über den Hinduismus bis zur christlichen Orthodoxie.

Vorbild für den Bericht waren die jährliche Studie des US-Außenministeriums mit umfangreichen Länderanalysen und der Bericht des EU-Parlaments zur Religions- und Glaubensfreiheit, der sich auf Länder mit schweren Verstößen beschränkt. Neben Beratungen mit dem UN-Sonderberichterstatter für Religionsfragen, Heiner Bielefeldt, führte die Bundesregierung zudem an über 90 Ländervertretungen eigene Befragungen zur Religionsfreiheit durch. Als Quelle erwähnt wird auch der „Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“ der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche. (lek/KNA)

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