Frage: Am 6. Dezember hat das Volk „Papa Staat“ zumindest bei der Parlamentswahl einen Denkzettel verpasst. Sind von der Opposition echte Alternativen zu erwarten?
Padron: Das Volk hat gesagt: Wir wollen dieses System nicht mehr! Wir wollen nicht länger abhängig sein! Wir begnügen uns nicht länger mit den Krümeln, die vom Tisch von Papa Staat abfallen! Es gibt Werte, die uns wichtig sind wie Ehrlichkeit, Arbeit, Familie, Studium, Leistung. Diese Entscheidung des Volkes ist eine Quelle der Erneuerung. Die Kirche möchte das Volk dabei begleiten. Deshalb organisiert sich die katholische Kirche selbst neu, um sozial aktiver zu werden. Dabei beschränken wir uns nicht nur auf die Nothilfe, die aktuell sicherlich angezeigt ist. Wir wollen das Volk auch mit Bildungsprogrammen unterstützen, damit es selbst wieder Protagonist seiner Entwicklung werden kann.
Frage: Welche integren Persönlichkeiten gibt es aufseiten der Opposition, die nicht nur mit einer guten Idee starten und sobald sie an den üppigen Töpfen des Erdöls sitzen, sich korrumpieren lassen?
Padron: Mit dem Parteienbündnis „Mesa de Unidad Demokratica (MUD)“ („Tisch der demokratischen Einheit“) hat die Opposition gezeigt, dass sie zusammenhalten muss und kann. Denn ein geteiltes Volk erreicht seine Ziele nicht. Trotz aller Unterschiede ist die Opposition geeint und gibt damit dem Volk ein wichtiges Beispiel. Während die Regierung nur einen Führer kennt, sind im Volk und in der Opposition viele, die Leitungsverantwortung übernehmen – ganz gleich ob sie im Gefängnis sind oder nicht. Das ist ein Reichtum.
Frage: Brechen die alten Konflikte nicht wieder auf, sobald der einigende Gegner fehlt?
Padron: Das Risiko besteht. Trotzdem glaube ich, dass den Demokraten bewusst ist, wie wichtig es ist, bei allen Differenzen weiter zusammenzuarbeiten. Demokratie heißt, gemeinsam Ziele verfolgen, auch wenn man von unterschiedlichen Positionen aus sich auf den Weg dorthin macht.
Frage: Vor den Geschäften bilden sich lange Schlangen, Menschen sterben, weil sie keine Medikamente erhalten. Wie kann die Kirche den Menschen in dieser Situation der existentiellen Not helfen?
Padron: Wir können die fehlende Versorgung der Menschen mit Medikamenten und Lebensmitteln nicht umfassend lösen. Die Kirche kann aber mit ihrer Infrastruktur, mit den verschiedenen Gruppen in den Pfarreien, mit den Ordensgemeinschaften und auch mit ihren fünfzig Gesundheitszentren im Land sicherstellen, dass die Hilfe aus dem Ausland – ob aus anderen lateinamerikanischen Ländern, den Vereinigten Staaten oder Europa – bei den Menschen ankommt. Das begleiten wir mit einem Monitoring, das auf Transparenz, Ehrlichkeit und Sparsamkeit Wert legt.
Frage: Papst Franziskus hat sich sehr dafür eingesetzt, dass es in Kolumbien zu Verhandlungen zwischen Regierung und Rebellen kam, dass Kuba und die USA wieder miteinander sprechen. Hoffen Sie in ihrem so polarisierten Land ebenfalls auf eine solche Initiative?
Padron: Natürlich können Papst Franziskus und der Heilige Stuhl helfen, damit es zu einem Treffen und einem Dialog zwischen Regierung und Opposition kommt, damit eine Amnestie für die politischen Gefangenen möglich wird, damit die Spaltung des Landes überwunden wird, damit die Fehler korrigiert werden auf ökonomischer wie auf ethischer Ebene.
Von Stephan Neumann
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