Der Einführungsbeitrag von Thomas Bremer, Professor für Ostkirchenkunde in Münster, stellt sich der grundlegenden Frage: „Was ist das eigentlich: Europa?“ Dabei wird deutlich, wie vielschichtig der Begriff ist und dass es eine klar definierte Vorstellung von Europa in der Geschichte nie gegeben hat. Vielmehr arbeitet Bremer heraus, dass der Zusammenhalt in Europa ganz maßgeblich von einem Grundkonsens bestimmt wird, der tiefe Wurzeln im Christentum hat, über den aber auch immer neu diskutiert werden muss. In den drei folgenden Beiträgen wird die Berufung auf die christlichen Werte aus katholischer, evangelischer und orthodoxer Perspektive weiter entfaltet.
Misstrauen und Angst vor dem Fremden
Neben den Fragen nach der grundsätzlichen Identität Europas richtet die aktuelle OWEP-Ausgabe den Blick auch auf die gegenwärtige Krise. Tschechien und Polen sind zwei der Länder, die sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen sehr reserviert zeigen. Die tschechische Journalistin Bára Procházková und der Historiker Prof. Dr. Stefan Garsztecki von der Technischen Universität in Chemnitz versuchen, die Gründe dafür aufzuzeigen. Eine der wichtigen Gemeinsamkeiten ihrer Analysen ist die ähnliche Situation, die die beiden Länder unter dem Kommunismus durchlebt haben: eine Phase der Abschottung und der Abwehr des „Fremden“ und „Unbekannten“. Einige der aktuellen Entwicklungen lassen darauf schließen, dass diese Phase nicht spurlos an den Ländern vorübergegangen ist und es immer noch einflussreiche gesellschaftliche Kräfte gibt, die sich einer Öffnung gegenüber dem „Anderen“ verschließen.
OWEP 1/2016 bietet mit den Beiträgen aus Polen, Tschechien, Ungarn und der Ukraine viele Hintergrundinformationen zur Stimmung in diesen Ländern. Von überraschend großer Bedeutung ist dabei die Rolle der Kirchen, denn sie weisen nicht nur auf das geistige und religiöse Fundament Europas hin, etwa durch die völkerversöhnende Botschaft der Gemeinschaft von Taizé, sondern sind vielfältig aktiv bei der Hilfe für Menschen in Not.
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