„Centro de Rehabilitacion“ künden verklärte Großbuchstaben über dem großen Eingangstor. Schwester Magdalena reiht sich in die Schlange der Wartenden ein. „Viele der Gefangenen sitzen wegen Verstößen gegen das ‚Ley 1008‘, das bolivianische Anti-Drogen-Gesetz ein“, sagt die Steyler Missionarin. „Aber auch Diebe, Vergewaltiger und Mörder zählen zu den Häftlingen.“ Ein resoluter Polizist ist nicht gerade zimperlich, als er Schwester Magdalena abtastet. Dann trägt sich die Ordensschwester routiniert ins Besucherbuch ein – und betritt das größte Gefängnis Boliviens, dessen Infrastruktur einer Kleinstadt gleicht: Es gibt Wohnblocks und Restaurants, Werkstätten und Friseursalons, ein Fitnessstudio und sogar einen Fußballplatz.
Proteste und Hungerstreiks an der Tagesordnung
Heute ist es ruhig. Das ist nicht immer so: Proteste und Hungerstreiks sind in Palmasola keine Seltenheit. Viele Häftlinge warten seit Jahren vergeblich auf ein Gerichtsverfahren, laut einer Schätzung sitzen in Palmasola 70 Prozent der Häftlinge ohne Urteil ein. Manchmal greift auch die "Disciplina" durch, eine Truppe aus Gewaltverbrechern mit roten Aufseher-Leibchen, der ein sogenannter "Präsident" vorsteht. In Palmasola gibt ein Regiment aus Bandenbossen den Ton an.
Manchmal eskaliert die Lage. So wie im Sommer 2013, bei einem Machtkampf unter den Häftlingen. Mit Macheten, Schlagstöcken und Flammenwerfern gingen Gefangene auf jene Rädelsführer los, die bei Neuankömmlingen regelmäßig abkassieren, für Schutz und einen Schlafplatz in einem überfüllten Gefängnis – auf rund 40 Quadratmetern schlafen bis zu 50 Menschen. Die strohgefüllten Matratzen der Insassen fingen Feuer, ein Inferno brach aus. 700 Polizisten versuchten zwei Stunden lang, die Kontrolle zu erlangen und den Brand zu löschen.
Die Bilanz des Tages: Mindestens 50 Verletzte und 30 Todesopfer, unter Letzteren ein Kleinkind von 18 Monaten. „Das Gesetz erlaubt den Häftlingen leider, alle Kinder unter sechs Jahren mit ins Gefängnis zu nehmen“, erklärt Schwester Magdalena. „Diese Kinder leiden sehr. Sie tragen keine Schuld an den Verbrechern ihrer Eltern.“
Kinderbetreuung hinter Gittern
Eben dies ist der Grund dafür, dass die Steyler Missionsschwester beinahe jeden Wochentag im Gefängnis verbringt, von 8.30 Uhr am Morgen bis 16 Uhr am Nachmittag. Ihr Arbeitsplatz: Ein kleiner Bau gleich in der Nähe des Eingangs, dort, wo bunte Klettergerüste dem monotonen Grau der Mauern trotzen. In der Kindertagesstätte von Palmasola betreuen Schwester Magdalena und ihr Team rund 100 Kinder zwischen null und sechs Jahren. Ihre Chiquititos, sagt sie. Ihre kleinen Lieblinge.