Die Reliquie des neuen Seligen, sein blutgetränktes Hemd, das an den Mord erinnert wird in einer Glasvitrine langsam in Tanzschritt von zwölf Priestern durch die Reihen der Gläubigen auf die Altarinsel getragen und vor den angereisten Staatsoberhäuptern und Mächtigen in Mittelamerika abgestellt. Ob einer der an der Ermordung Romeros Schuldigen dort steht? Niemand weiß es. Das Gericht und die Machthaber schweigen. Der jetzige Präsident hat wenigstens eine Entschuldigung ausgesprochen. Auf alle Fälle haben sie die Seligsprechung 35 Jahre lang torpediert. Heute ist Erzbischof Romero auferstanden
Die Völkerwanderung
Da mein Rückflug auf den Pfingstdienstag gebucht ist, verbringe ich den Pfingstmontag in der Krypta der Kathedrale von San Salvador in der Nähe des Grabdenkmals des neuen Seligen. Die schwere Bronzeplatte erinnert an das Messgewand des Bischofs die Ränder steigen auf zu vier Bronzefiguren, Frauengestalten die das Evangelium in ihren Händen halten. Oder sind es auch die Predigten von Bischof Romero, seine Anklageschriften und seine Verteidigung der Wahrheit. Das markante Gesicht des Seligen schaut zum Himmel. Die Mitra weist nach Vorne. Es ist, als ob sich ein Totenschiff in Bewegung gesetzt hat, unaufhaltsam. Die Gläubigen kommen und gehen. Sie klammern sich an vier Frauengestalten. Sie legen die Hände auf die Mitra Ich kann die geneigten Gesichter nicht erkennen. Aber ich sehe die Schuhe, die Sandalen. Sie sind ausgetreten und zeigen die Wunden des Lebens.
Auch ich stelle mich in die Reihe und lege meine Hände auf die Mitra des Ermordeten Erzbischofs und übergebe meine Bitten, und das sind viele. Da entdecke ich den Bergkristall auf der offenen Brust des Seligen Oscar Romero. Die Heiligsprechung wird folgen. Der Himmel hat es kundgetan.
Von Weihbischof em. Leo Schwarz
Quelle:
Paulinus – Wochenzeitung im Bistum Trier
. Ausgabe Nr. 23. Mit freundlichem Dank für die Genehmigung.