
Straffreiheit ist keine gute Voraussetzung
Zentralafrikanische Republik ‐ In der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik Bangui treffen diese und nächste Woche Dutzende Streitparteien aufeinander, um einen Neuanfang für das geteilte Bürgerkriegsland zu planen. Mehr als 900.000 Menschen mussten vor den seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Unruhen fliehen. Jetzt lud die Übergangsregierung unter Interimspräsidentin Catherine Samba-Panza mehr als 680 Politiker, Anführer bewaffneter Gruppen, religiöse Führer, Gewerkschafter, Journalisten und Vertreter der Flüchtlinge zu dem Friedensgipfel ein. Gemeinsam wollen sie über eine neue Verfassung diskutieren. Diese soll nicht nur den Weg zu Neuwahlen ebnen, sondern Christen und Muslime auch wieder als Nation vereinen.
Aktualisiert: 12.07.2015
Lesedauer:
In der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik Bangui treffen diese und nächste Woche Dutzende Streitparteien aufeinander, um einen Neuanfang für das geteilte Bürgerkriegsland zu planen. Mehr als 900.000 Menschen mussten vor den seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Unruhen fliehen. Jetzt lud die Übergangsregierung unter Interimspräsidentin Catherine Samba-Panza mehr als 680 Politiker, Anführer bewaffneter Gruppen, religiöse Führer, Gewerkschafter, Journalisten und Vertreter der Flüchtlinge zu dem Friedensgipfel ein. Gemeinsam wollen sie über eine neue Verfassung diskutieren. Diese soll nicht nur den Weg zu Neuwahlen ebnen, sondern Christen und Muslime auch wieder als Nation vereinen.
Seit März 2013 regiert in der Zentralafrikanischen Republik Anarchie. Damals hatten die mehrheitlich muslimischen Seleka-Rebellen Bangui erobert und kurz darauf den damaligen Präsidenten Francois Bozize gestürzt. Als Antwort formierten sich Christen in der sogenannten Anti-Balaka-Miliz. Diese verstand sich zunächst als Verteidigungsgruppe; später verübte sie immer häufiger selbst Massaker.
Es dauerte ein Jahr, bis sich die Seleka und verfeindete Rebellen auf eine Übergangsregierung einigten. Zwar gelang es der Interimsbehörde mit Hilfe französischer Truppen und der jüngsten UN-Mission MINUSCA, in weiten Teilen des Landes Stabilität herzustellen. Doch die sporadischen Kämpfe zwischen muslimischen und christlichen Rebellen bedrohen den Frieden.
50.000 Flüchtlinge seit Jahresbeginn
Allein seit Jahresbeginn flohen nach UN-Angaben 50.000 Zentralafrikaner vor Vergewaltigungen, Massakern und den brandschatzenden Paramilitärs. Insgesamt mussten bislang 900.000 ihre Häuser verlassen, die Hälfte davon als Binnenvertriebene. „Die Milizen nutzen sexuelle Gewalt als Druckmittel. Die Lager für Binnenflüchtlinge sind komplett unbewacht, und Bewaffnete können sich beinahe ungestört unter die Einwohner mischen“, so die stellvertretende Koordinatorin des UN-Büros für Humanitäre Einsätze (UNOCHA), Kyung-wha Kang.
Besonders prekär ist die Lage laut „Ärzte ohne Grenzen“ im Norden und an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. Seit dem Ausbruch der Kämpfe habe die Bevölkerung keine Schutzimpfungen mehr erhalten. Neben verschiedenen Krankheiten plage die Menschen vor allem die Malaria. Jana Brandt, Koordinatorin des Einsatzteams von „Ärzte ohne Grenzen“, berichtet: „Die Menschen verstecken sich in den Wäldern aus Angst vor bewaffneten Truppen. Sie leben in furchtbaren Bedingungen, die jederzeit schlimmer werden können, sollte sich die Sicherheitslage nicht bessern.“
Als Schlüssel zum Frieden sehen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International die strafrechtliche Aufarbeitung: Die Kriegstreiber dürften nicht ungeschoren davonkommen. In einem ersten Schritt beschloss die Übergangsregierung im April die Schaffung eines Sonderstrafgerichts: 14 zentralafrikanische und 13 internationale Richter sollen die Drahtzieher der Kriegsverbrechen künftig ausfindig machen und sie ihrer Strafe zuführen.
Menschenrechtler: Verfassungsentwurf anpassen
Auch ein Waffenstillstandsabkommen zwischen den Kriegsakteuren weckt Hoffnung auf einen Neuanfang: Unter der Vermittlung der kenianischen Regierung besiegelten der gestürzte Francois Bozize und der Seleka-Putschist Michel Djotodia im April den Frieden.
Allerdings sieht Amnesty die Rückkehr zur Normalität derzeit noch bedroht – ausgerechnet durch die neue Verfassung. Eigentlich soll sie den Weg zu Wahlen im Juli oder August ebnen und nach zwei Jahren Chaos wieder eine demokratische Regierung installieren. Doch sehe der aktuelle Entwurf für alle künftigen Präsidenten Straffreiheit vor – selbst nach deren Amtsperiode, erläutert Steve Cockburn, Amnesty-Vizedirektor für Zentralafrika.
„Straffreiheit und Immunität drehen den Kreis von Konflikt und Ungerechtigkeit nur weiter“, so Cockburn. Die Verfassung müsse so angepasst werden, „dass jeder, unabhängig von seinem Posten, für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen wird“.
Von Markus Schönherr (KNA)
Hintergrund
Ein Hintergrundpapier des Netzwerks Afrika Deutschland (NAD) zur Machtübernahme in der Zentralafrikanischen Republik können Sie hier als PDF herunterladen: