Frage: Gibt es in den USA genügend Diskussion über die Handelspolitik und ihre Konsequenzen?
Cantu: Nein, darüber wird zu selten und nur bruchstückhaft diskutiert. Papst Franziskus hat hier sicher einiges angestoßen. Wir brauchen diese Debatte zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Verantwortung für die Schöpfung. Auf dieser Ebene können wir vielleicht auch die Konservativen in den USA erreichen.
Frage: Gehören Einwanderer-Rechte auch in Handelsverträge? Meist werden darin ja die Grenzen für das Kapital aufgehoben, während die Zäune für Migranten höher werden.
Cantu: Wir haben zweierlei Maß in den USA. Einerseits wollen wir billige Arbeitskräfte, geben ihnen aber keine Rechte. Das muss sich ändern. Wir sollten bei Handelsabkommen aber darauf beharren, dass niemand sich gezwungen fühlen sollte, aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat zu verlassen, schon gar nicht in Folge neuer Handelsabkommen.
Frage: In den vergangenen Monaten waren Sie zweimal für die US-Bischofskonferenz in Israel und den Palästinensergebieten. Wie sehen Sie die Äußerungen von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Zweistaatenlösung aufgeben zu wollen?
Cantu: Sehr besorgt. Diese Lösung war Konsens nicht nur der Israelis und Palästinenser, sondern der ganzen Welt. Die Palästinenser haben uns gegenüber im September deutlich gemacht, dass sie entweder einen eigenen Staat oder gleiche Bürgerrechte in Israel wollen. Am wichtigsten ist aus meiner Sicht die Wahrung ihrer Menschenwürde. Sie haben für Jahrzehnte in der Luft gehangen, ohne Rechte auf Repräsentation, freie Reise und Arbeitswahl. Diese Hoffnungslosigkeit schafft einen fruchtbaren Boden für den Extremismus, den Israel fürchtet.
Frage: Ist Frieden in Nahost eine Frage der sozialen Gerechtigkeit?
Cantu: Israel hat das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen. Am besten lässt sich das erreichen, indem es seine Nachbarn, die Palästinenser, respektiert.
Frage: Haben Sie Hoffnung, dass aus der gegenwärtigen Situation noch etwas Gutes herauskommen kann?
Cantu: Als Christen haben wir immer Hoffnung. Selbst in Zeiten der Dunkelheit. Und dies sind düstere Zeiten.
Das Interview führte Thomas Spang (KNA).