Sorgfältige Rekonstruktion der Ereignisse
Erst eine sorgfältige Rekonstruktion seiner Ansprachen sowie eine unparteiische Analyse der gesellschaftlichen Lage des Landes El Salvador am Vorabend des Bürgerkriegs (1980–1991) konnte den Nachweis erbringen, dass Romero getötet wurde, weil er die Soziallehre der Kirche und die Liebe Christi zu den Armen verteidigte. Der wachsende Abstand von den tiefen gesellschaftlichen Gräben des Bürgerkriegs, dem Romero ebenso wie 70.000 seiner Landsleute zum Opfer fiel, hat dazu beigetragen, die Dinge klarer zu sehen.
Die Seligsprechung – manche hielten den 100. Geburtstag Romeros am 15. August 2017 für ein geeignetes Datum – kann nun stattfinden, ohne dass die Wunden zwischen den einst verfeindeten Lagern wieder aufgerissen werden. Die einstige Guerilla-Bewegung FMLN ist heute eine etablierte politische Partei, und die mutmaßlichen militärischen und politischen Hintermänner der Ermordung sind tot oder im hohen Greisenalter.
Papst reist Ende Mai nicht nach El Salvador
Zudem greift der Vatikan auf einen bereits mehrfach angewandten Kniff zurück. Dem mutmaßlich im Auftrag der Rechten ermordeten Erzbischof Romero aus El Salvador werden drei Märtyrer zur Seite gestellt, deren Tod auf das Konto der linksgerichteten Guerilla-Organisation „Leuchtender Pfad“ in Peru gehen: In einem weiteren vom Papst autorisierten Dekret bestätigte die Heiligsprechungskongregation Anfang Februar das Martyrium der beiden Minoriten Michele Tomaszek und Sbigneo Strzalkowski sowie des Diözesangeistlichen Alessandro Dordi vom August 1991. Die Rebellen warfen den Geistlichen damals vor, für die örtliche Caritas zu arbeiten und bedürftige Indios mit Nahrung und Medikamenten zu versorgen. Sie hielten damit die Menschen in Armut, argumentierten die Kidnapper.
Lebhaft hatte man in Mittelamerika darüber spekuliert, ob Franziskus für die Seligsprechung Romeros persönlich nach San Salvador reisen würde. Normalerweise überlässt der Papst Seligsprechungsfeiern den zuständigen Ortskirchen. So soll es auch im Fall des von Franziskus persönlich hoch verehrten Märtyrers Romero bleiben. Der Papst reist Ende Mai definitiv nicht nach El Salvador – auch wenn er mit seinen Gedanken sicher dort sein wird.
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)