Frage: Schwester Maria Ines, nach der Fußball-WM in Brasilien wurde die Regierung Dilma Rousseff im Amt bestätigt und nicht abgewählt, wie man vorher angesichts der Sozialproteste im Frühjahr eigentlich gedacht hatte. Geht das für Sie in Ordnung?
Ribeiro: Mit einem sozialen Blick bin ich persönlich froh - und ich weiß viele Menschen in Brasilien mit dieser Meinung hinter mir. Die Regierung Rousseff wie auch die Vorgängerregierung von Luis Inacio Lula da Silva hat im Sozialbereich sehr viel getan, vor allem gegen Armut und Hunger oder beim Zugang zu Bildung. Gleichzeitig bleibt noch viel zu tun. Was bislang geschehen ist, können nur erste Schritte in die richtige Richtung gewesen sein. Wir haben in Brasilien immer noch zehn Millionen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze im Elend leben. Sie brauchen viele Hilfen - und bekommen sie bislang nicht.
Frage: Aber die Strategien zur Armutsbekämpfung passen?
Ribeiro: Nicht immer. Oft hat die Regierung den Armen zwar sozusagen Fisch gegeben - aber sie hat sie nicht fischen gelehrt. Man hat ihnen etwas zu essen gegeben, aber ihnen nicht geholfen, ihre Lebenssituation grundsätzlich anzugehen. Insgesamt war die Regierung bislang auf den Konsum ausgerichtet, nicht aber auf die Produktion. Das heißt, sie investiert, damit der Konsum weiter steigt, aber nicht, um eine industrielle Produktion in unserem Land aufzubauen.
Frage: Und das Personal in Parlament und Regierung?
Ribeiro: Nach diesem Wahlkampf sitzen nun in beiden Parlamentskammern Vertreter, die zu den schlimmsten der vergangenen Jahre gehören. Beide Parteien, die am Ende um die Macht kämpften, sowohl die Arbeiterpartei PT von Dilma Rousseff als auch die republikanische PSB, haben nicht vornehmlich die Benachteiligten in den Blick genommen, sondern die Macht. Wir brauchen mehr Anerkennung für die Indigenen, für die Afro-Brasilianer, für die Armen. Die Regierung hat für die kommenden vier Jahre ein hartes Programm vor sich. Brasilien hat in den vergangenen Jahren zwei Schritte vorangemacht und einen zurück. Das heißt, wir gehen zwar den Reformweg, der uns eigentlich angekündigt war - aber nur sehr vorsichtig.