Frage: Können Sie uns anhand einiger konkreter Beispiele illustrieren, wie sich der Alltag der Christen im Irak – etwa in Bagdad oder Kirkuk – in den letzten Jahren verändert hat?
Sako: Von den vertriebenen Familien leben einige immer noch in Zelten, für andere hat die Kirche Häuser angemietet. Andere haben selbst Häuser gemietet. In Kirkuk, Bagdad und Basra fürchten sich die Christen vor dem, was als Nächstes kommt. Für sie gibt es keine Garantie für eine Besserung der Lage. Es braucht Zeit. Die neue Denkweise ist sektiererisch. Sunniten helfen Sunniten, Schiiten den Schiiten, Kurden den Kurden, Christen werden mit dem Westen gleichgesetzt. Vorher war das nicht so.
Frage: Aktuell wird der Irak zunehmend durch den Vormarsch der IS-Kämpfer destabilisiert. Wie erklären Sie sich den Erfolg von IS?
Sako: IS ist eine extremistische Organisation, geführt mit äußerster Brutalität, finanziell gut ausgestattet, mit modernsten Waffen ausgerüstet und in den sozialen Medien weit verbreitet. ISIS ist wie eine starke Mafia mit religiösen Grundsätzen. Sie kann Kämpfer aus der ganzen Welt rekrutieren. Raubüberfälle, Massenvergewaltigungen, Folter und Ermordung von Menschen, die als Nichtgläubige gelten, sind an der Tagesordnung. Die Terrororganisation hat damit begonnen, ein sunnitisches Kalifat gegenüber dem schiitischen Reich Iran zu gründen. IS ist eine potentielle Bedrohung für die ganze Welt!
Frage: Wird der Irak in einen sunnitischen, schiitischen und kurdischen Teil zerfallen?
Sako: Der Irak wird geteilt werden. Im Moment ist die Situation folgende: Kurdistan ist ein nichtdeklarierter Staat, im Sunniten-Dreieck hat die Zentralregierung keine Kontrolle mehr, und der Süden ist fast schiitisch.