Es sei absurd, dass die umstrittene Gerichtsentscheidung ausgerechnet wenige Wochen vor Veröffentlichung des Berichts der Wahrheitskommission gefällt wurde, sagt der Anthropologe Spensy Pimentel. Die Kommission, die Menschenrechtsvergehen in der Zeit von 1946 bis 1988 untersucht, legt im Dezember auch neue Erkenntnisse zur Vertreibung indigener Völker vor. „Die Zwangsumsiedlung der Guarani-Kaiowa war die offizielle Politik des brasilianischen Staates“, so Pimentel.
Während der Diktaturzeit (1964–1985) wurden ganze Völker in abgelegene Gebiete verfrachtet. Die durch die Verfassung von 1988 garantierte Rückgabe der Gebiete binnen fünf Jahren, also eigentlich bis 1993, war die Anerkennung dieses Unrechts. Doch die Rückgabe scheiterte oft am Widerstand von Farmern, die mächtige Verbündete im Kongress haben. Unter der Regierung Rousseff wurden seit 2011 lediglich elf Schutzgebiete mit einer Gesamtfläche von zwei Millionen Hektar eingerichtet. Unter Staatspräsident Fernando Henrique Cardoso war es zwischen 1995 und 1999 noch 15 Mal soviel Land.
Vor ihrer Wiederwahl Ende Oktober versprach Rousseff ein Veto gegen die geplante Verfassungsänderung 215. Diese will die Kompetenz zur Markierung der Schutzzonen von der Funai auf den Kongress übertragen. Zudem sagte Rousseff ein Mitspracherecht der Indigenen bei geplanten Infrastrukturprojekten zu. Doch viel dürften sich die Ureinwohner davon nicht versprechen – war es doch die Regierung Rousseff, die bislang über ihre Köpfe hinweg die Staudammprojekte im Amazonasgebiet kompromisslos weiterverfolgte.
Von Thomas Milz (KNA)