Frage: Herr Bagopha, in den vergangenen Jahren galten die Verhältnisse in Burkina Faso als vergleichsweise stabil. Kommen die jüngsten Unruhen überraschend für Sie?
Bagopha: Nein. Die Mehrheit vor allem der jungen Menschen in Burkina Faso hat sehr deutlich gesagt, dass sie einer weiteren Verlängerung der Amtszeit von Präsident Blaise Compaoré und der dafür erforderlichen Verfassungsänderung nicht zustimmen wird. Das Ganze war schon länger ein Thema, aber Compaoré hat sich da nie deutlich positioniert – bis jetzt. Insofern war absehbar, dass es mit dem Moment seiner Ankündigung, weiter im Amt bleiben zu wollen, zu Protesten kommen musste.
Frage: Der Präsident ist inzwischen gestürzt, Parlament, der Sitz der Regierungspartei und das Rathaus in der Hauptstadt Ouagadougou gingen in Flammen auf. Richtet sich der Zorn der Demonstranten einzig gegen den Präsidenten?
Bagopha: Die wahren Ursachen liegen tiefer. Einmal sind da die wirtschaftlichen Probleme: Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Dann gibt es eine fehlende Aufarbeitung der jüngeren Geschichte. Viele haben nicht vergessen, dass Compaoré sich 1987 gegen seinen Vorgänger Thomas Sankara an die Macht geputscht hat. Sie wollen jetzt einen geordneten Übergang an der Staatsspitze und verlangen nach Politikern, die sich an Recht und Gesetz halten.
Frage: Es gibt erste Beobachter, die von einem „Afrikanischen Frühling“ und einem Ruf nach mehr Demokratie sprechen - in Anlehnung an den „Arabischen Frühling“ von 2010/2011. Was halten Sie davon?
Bagopha: Da würde ich keine direkten Parallelen ziehen wollen. Wenn, dann sollte man bedenken, dass es im Afrika südlich der Sahara bereits in den 1990er-Jahren Demokratisierungsprozesse gegeben hat. Nur ist es da in der Zwischenzeit etwas leiser geworden. Die Regierenden haben es geschafft, die Leute abzulenken.
Frage: Also erleben wir gerade eine Art Renaissance dieser Bestrebungen?
Bagopha: In vielen Ländern haben die verantwortlichen Politiker in den 1990er-Jahren Mandatsbegrenzungen eingeführt, sozusagen als Beruhigungspille für das Volk. Aber jetzt sagen die Menschen: „Nein, das geht so nicht weiter, wir nehmen das ernst.“ Außer in Burkina Faso ist die Entwicklung ähnlich in der Demokratischen Republik Kongo, in Kongo-Brazzavile, in Benin oder in Kamerun verlaufen.
Frage: Der Konflikt in Burkina Faso könnte sich also ausweiten?