Schöne Erfahrung der ökumenischen Gemeinsamkeit
Als Vertreter der römisch-katholischen Kirche begrüßte Bischof Stanislav Szyrokoradiuk (Diözese Charkiv-Saporoshe), dass gerade die Orthodoxe Kirche nach dem Beginn der gewaltsamen Auseinandersetzungen ihre Türen geöffnet und Hospitäler eingerichtet habe – ebenso dann auch die anderen Kirchen und Konfessionen. Das sei für ihn „eine der schönsten Erfahrungen ökumenischer Gemeinsamkeit“ gewesen. Bischof Stanislav meinte auch, man könne eigentlich nicht „von einer Spaltung der Ukraine in verschiedene Lager“ sprechen – es gebe keinen „inneren Konflikt“ in der Ukraine, dieser werde nur künstlich aufgebauscht. Dabei handele es sich, betonte Andrij Mykahleyko, um einen „Propagandakrieg“.
Auch wenn Teilnehmer des Podiums, moderiert von der Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, Dr. Gabriele Freitag, sich einig darin waren, dass es „eine ukrainische Nation“ gebe, unterschieden sie sich doch in gewissen Akzentuierungen. Die Ukraine sei „groß und kompliziert“, meinte Sergii Bortnyk, und es habe auch „Anti-Majdane“ gegeben. Ethnische Differenzen bestünden durchaus, sie hätten im gegenwärtigen Konflikt allerdings an Gewicht gewonnen und würden auch instrumentalisiert. Andrij Mykahleyko mahnte, mit Begriffen wie „Nationalismus“ oder gar „Faschismus“ solle man vorsichtig umgehen. Der sogenannte „rechte Sektor“ habe bei der Präsidentschaftswahl gerade mal zwei Prozent erreicht.
Die Wahrheit sagen und auch Fehler eingestehen
Aktuell kümmern sich die Kirchen um die zahlreichen Binnenflüchtlinge, Zehntausende hätten – so Stanislav Szyrokoradiuk – verursacht durch die Kämpfe in der Ostukraine in der Stadt Charkiv Zuflucht gefunden. Angesichts des bevorstehenden Winters müsse nun entsprechende Vorsorge (Kleidung, Lebensmittel etc.) getroffen werden. Einig sind sich die Kirchen in der Ukraine im nicht nachlassenden gemeinsamen Gebet für den Frieden.
Einigkeit herrschte unter den Diskutanten auch darüber, dass die Kirchen ihr Ansehen und ihre Autorität für Frieden und Versöhnung einsetzen müssen. Sie dürften sich nicht als „Dekoration“ (Mykahleyko) oder nur für „die heilige Atmosphäre“ (Bortnyk) zuständig begreifen, sondern müssten die Wahrheit sagen und auch Fehler der Vergangenheit eingestehen (Szyrokoradiuk).
Von Burkhard Haneke, Geschäftsführer von Renovabis