Aber auch in Deutschland sieht er steigenden Handlungsbedarf: „Viele Menschen fallen aus dem Raster, werden arbeitslos oder können bei Minilöhnen nicht von ihrer Hände Arbeit leben, geschweige denn eine Familie ernähren.“ Auch Christiane Jacobs setzt auf Solidarität: „Ich sehe Armut jeden Tag, wenn Leute Flaschen sammeln. Mein Mann und ich sind schon viele Jahre bei den Steylern, haben auch etliche Freunde überzeugt.“
Geschäftsführer Norbert Wolf sieht die christliche Nächstenliebe, die praktizierte Solidarität, als Antrieb für die Steyler Bankkunden. Und in der Tat zeigen die Kunden der Bank bei der Befragung ein klares christliches Weltbild, ein stark entwickeltes politisches Bewusstsein und eine von Empathie geprägte Persönlichkeit.
Was tut die Steyler Bank, um aufzuklären und Bewusstsein zu schaffen?
Norbert Wolf hat eine ganz konkrete Antwort: „Wir setzen auf Informationen aus erster Hand. So haben wir für den 11. November Dr. Ulrich Schneider eingeladen, als Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ein ausgewiesener Kenner des Problems. Der Autor von ‚Armes Deutschland‘ wird sein neues Buch vorstellen und mit den Besuchern seine Thesen diskutieren. Dazu laden wir alle Kunden und Freunde der Steyler Bank herzlich ein.“
1964, im Gründungsjahr der Steyler Bank, sprach noch niemand von Armut. Das Wirtschaftswunder Ludwig Erhards war in voller Blüte, Fremde wurden als Gastarbeiter rekrutiert. Und ausgerechnet im Wiedervereinigungsjahr 1989 erschien der erste Armutsbericht, heute sind wir mit 400.000 Langzeitarbeitslosen und 23 Prozent der Werktätigen im Niedriglohnbereich auf dem Weg in die institutionalisierte Armut. Darum müssen Signalgeber wie Ethik-Banken und deren sozial engagierte Kunden das Thema offensiv besetzen.
Wege aus der Armut schaffen
Stephan Kinnemann kennt sich mit den Armutsentwicklungen sowohl in armen Ländern als auch in Deutschland aus. Er arbeitete früher für die KfW, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die als staatliche Entwicklungsbank der Bundesrepublik Deutschland weltweit Entwicklungsprojekte finanziert. Er sieht bei der Armutsbekämpfung in den Schwellen- und Entwicklungsländern erkennbare Fortschritte, aber das alte Europa auf dem Rückschritt zu einer neuen Armut.
Kinnemann mahnt ähnlich wie Schneider das Subsidiaritätsprinzip an. Es gehe nur mit Fördern und Fordern. Der Sozialstaat dürfe nicht nur prekäre Lebensformen durchsubventionieren, sondern müsse Anreize und Modelle schaffen, damit Menschen durch eigene Kraft den Weg aus der Armut finden. Damit erinnert er an einen Kernsatz von Mahatma Gandhi: „Die Welt hat genug für die Bedürfnisse aller. Aber nicht für die Gier aller.“
Von Ulrich Harz