
Holpriger Start für das Textilbündnis
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will mit einem Textilbündnis Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie verbessern. Derzeit könne niemand ausschließen, dass das Kleidungsstück, das er morgens aus dem Schrank nehme, nicht einen anderen Menschen, zum Beispiel in Bangladesch, krank mache, sagte Müller vor dem Aktionsstart am Donnerstag in Berlin. Das gemeinsame verpflichtende Bündnis von Nichtregierungsorganisationen sowie Vertretern aus Wirtschaft und Gewerkschaften sei ein erster Schritt, um faire und existenzsichernde Löhne, ökologische Mindeststandards und das Verbot von Kinderarbeit zu garantieren.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will mit einem Textilbündnis Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie verbessern. Derzeit könne niemand ausschließen, dass das Kleidungsstück, das er morgens aus dem Schrank nehme, nicht einen anderen Menschen, zum Beispiel in Bangladesch, krank mache, sagte Müller vor dem Aktionsstart am Donnerstag in Berlin. Das gemeinsame verpflichtende Bündnis von Nichtregierungsorganisationen sowie Vertretern aus Wirtschaft und Gewerkschaften sei ein erster Schritt, um faire und existenzsichernde Löhne, ökologische Mindeststandards und das Verbot von Kinderarbeit zu garantieren.
„‚Geiz ist geil‘ kann nicht unser Antrieb sein“, betonte Müller. Spätestens nach dem verheerenden Einsturz einer Textilfabrik nahe Bangladeschs Hauptstadt Dhaka müssten Verbraucher und Handel das einsehen. Das Einhalten der Mindeststandards koste den Kunden maximal einen Euro pro Kleidungsstück, beteuerte Müller. Damit künftig auch mehr Transparenz herrsche, sei zudem ein Portal in Planung, das über bestehende Textilsiegel informiere. Ein nächster Schritt in den kommenden Jahren solle eine Art Dachsiegel „Grüner Knopf“ sein, das für das Einhalten von Mindeststandards vergeben werde.
Bisher rund 30 Mitgliedsorganisationen
Nach Ministeriumsangaben waren bis Mittwochabend rund 30 vorrangig mittelständische Unternehmen und Organisationen dem Bündnis beigetreten. Einige Großunternehmen und Handelsverbände hatten die Inhalte mit ausgearbeitet, hatten jedoch kurz vor dem Start einen Rückzieher gemacht mit der Begründung, dass es zeitlich und technisch nicht möglich sei, die geforderten Standards einzuhalten.
Müller betonte, dass die „Tür heute, morgen und in den kommenden Monaten weiter offen“ sei. Er respektiere, dass einige Verbände und Unternehmen für eine Unterschrift mehr Zeit bräuchten, sei aber optimistisch, dass sich auch große Konzerne dem Bündnis noch anschließen würden. Er wolle aus diesem Grund vorerst an der Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung festhalten. Ein mögliches Gesetz sei erst ein deutlich späterer Schritt.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Kampagne für Saubere Kleidung appellierten an die Verbraucher, ein größeres Bewusstsein für die Missstände zu entwickeln. „Soziale Verantwortung muss von allen übernommen werden“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Bischof Ackermann ermutigt Textilunternehmen zum Beitritt
Die Deutsche Kommission Justitia et Pax begrüßte das Textilbündnis als einen wichtigen „Baustein für die Umsetzung menschenwürdiger Arbeit weltweit“. Der Vorsitzende der Kommission, Bischof Stephan Ackermann, appellierte an alle Unternehmen der Textilbranche, dem Zusammenschluss beizutreten.
„Gerade weil die Wertschöpfungskette so komplex und der Wettbewerbsdruck groß ist und weil wir in Deutschland auch bezüglich unserer ökologischen Verantwortung aktiv werden müssen, ist es höchste Zeit, dass sich Sozialpartner und Zivilgesellschaft ernsthaft und systematisch bemühen, die Mängel und Probleme bei der Erzeugung von Textilien zu beseitigen“, so Ackermann.
Katholikenkomitee: Textil-Bündnis nicht blockieren
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) rief diejenigen Unternehmen, die dem Bündnis bisher skeptisch gegenüber stehen, am Mittwoch dazu auf, „ihre Blockade des Textil-Bündnisses aufzugeben und sich engagiert an dem Bündnis zu beteiligen.“
Der entwicklungspolitischer Sprecher des ZdK, Peter Weiß, erklärte, es sei nicht länger zu verantworten, dass „durch das Fehlen von Mindeststandards in vielen Entwicklungsländern Arbeitnehmer in ihren Rechten und in ihrer Menschenwürde verletzt werden“. Gerade ein Importland wie Deutschland müsse hier Zeichen setzen, um weltweit zu fairen Arbeitsbedingungen beizutragen.
Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Textil und Mode, Uwe Mazura, hatte am Montag erklärt, sein Verband werde „jetzt nicht“ Partner des angestrebten Bündnisses. Deutsche Standards im Sozialbereich könnten nicht umstandslos auf Unternehmen in anderen Ländern übertragen werden. Zudem seien die hohen Umweltstandards von großen Teilen der mittelständischen Textilindustrie nicht zu erfüllen.
Grüne für mehr Verbindlichkeit
Daher plädieren die Grünen für verbindliche Regeln. „Durch ein freiwilliges Textilbündnis werden sich die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie nicht verbessern“, sagte der bündnisgrüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz am Mittwoch in Berlin.
Müller müsse einsehen, dass er Unternehmen nur mit verbindlichen Regelungen dazu bringen könne, die Zustände in der globalen Lieferkette zu verbessen, so Kekeritz. „Sie spielen das Spiel der freiwilligen Unternehmensverantwortung schon viel zu lange.“
Im April hatte Müller erstmals zu einem „Runden Tisch Textil“ in sein Ministerium geladen. Anlass war der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch im Jahr 2013. Dabei kamen über 1.130 Menschen ums Leben, 2.000 wurden teilweise schwer verletzt. In der Fabrik wurden auch Kleidungsstücke für deutsche Unternehmen hergestellt. (lek mit KNA)