
Täglich neue Überraschungen
Kaum ein Tag vergeht in Kolumbien, an dem die Friedensgespräche zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC und der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos keine neuen Enthüllungen und brisante Wendungen ans Tageslicht fördern. So überraschten die kolumbianischen Medien am Wochenende mit einer besonders brisanten Nachricht: FARC-Chef Rodrigo Londono Echeverry alias „Timochenko“ reiste in den vergangenen Monaten offenbar mehrmals an den Verhandlungsort in der kubanischen Hauptstadt Havanna.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Kaum ein Tag vergeht in Kolumbien, an dem die Friedensgespräche zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC und der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos keine neuen Enthüllungen und brisante Wendungen ans Tageslicht fördern. So überraschten die kolumbianischen Medien am Wochenende mit einer besonders brisanten Nachricht: FARC-Chef Rodrigo Londono Echeverry alias „Timochenko“ reiste in den vergangenen Monaten offenbar mehrmals an den Verhandlungsort in der kubanischen Hauptstadt Havanna.
Präsident Santos bestätigte die der Öffentlichkeit bislang vorenthaltene Reisetätigkeit des obersten Rebellenführers. Er habe dies autorisiert, sagte Santos. So wie seine Delegationsteilnehmer immer wieder im Präsidentenpalast vorsprechen müssten, gelte das auch für die Gegenseite, die sich entsprechend abstimmen müsse.
Die Formulierungen des Präsidenten legen nahe, dass „Timochenko“ den Schutz der kolumbianischen Regierung genießt, obwohl er immer noch auf der Liste der meistgesuchten Terroristen des Landes steht. Der kolumbianische Sender „Blu Radio“ enthüllte unter Berufung auf Geheimdienstkreise, dass der „Maximo Jefe“ der FARC seit 2005 die Geschicke der Gruppierung offenbar aus Venezuela leitet. Dass „Timochenko“ nun auch in die auf Kuba laufenden Gespräche eingreifen kann, deutet darauf hin, dass sich beide Seiten zumindest im internen Umgang ein Vertrauensverhältnis erarbeitet haben. Lange galt das als undenkbar.

Forderung nach mehr Transparenz
Während sich FARC und Regierung weit weg von Bogota auf Augenhöhe begegnen, hält sich im Rest des Landes die Begeisterung über den seit Ende 2012 geführten Dialog mit der größten Rebellenorganisation Lateinamerikas, die seit ihrer Gründung 1964 für schwerste Menschenrechtsverbrechen verantwortlich gemacht wird, zusehends in Grenzen. Zu abgeschottet, zu wenig Transparenz lautet der Vorwurf von Kritikern. Opfervertreter, die katholische Kirche und soziale Bewegungen äußern sich ebenfalls zurückhaltend.
Luis Arias, führender Vertreter des Nationalen Indigenenverbandes ONIC, hofft, dass möglichst bald auch die kolumbianischen Ureinwohner am Verhandlungstisch in Havanna Platz nehmen können. Es sollten endlich auch die Standpunkte der indigenen Bevölkerung zur Sprache kommen, denn diese Bevölkerungsgruppe habe besonders unter den durch den jahrzehntelangen Konflikt mit der FARC und rechten paramilitärischen Banden verursachten Landvertreibungen gelitten. „Wir wollen wissen, was mit den betroffenen Menschen geschieht, wenn der Friedensvertrag unterschrieben ist“, sagte Arias in einem Interview mit dem Radiosender RCN.
Kirche: Dialog mit ELN notwendig
Die katholische Kirche mahnt die Regierung unterdessen, eine weitere militante Gruppe bei den Bemühungen um Frieden in Kolumbien nicht außen vor zu lassen. Das Santos-Kabinett müsse dringend mit der ebenfalls linksgerichteten Rebellengruppe ELN Gespräche aufnehmen. Bischof Hector Fabio Henao, Direktor von Caritas Kolumbien, bestätigte, die Kirche stehe dabei als Vermittler zur Verfügung.
In Havanna ist man möglicherweise schon einen Schritt weiter, denn die Führer von ELN und FARC haben sich ihrerseits bereits ebenfalls in Kuba getroffen, um sich untereinander abzustimmen. Das „Gipfeltreffen des Friedens“ wie die Guerillagruppen das Treffen zwischen FARC-Chef „Timochenko“ und ELN-Boss Nicolas Rodriguez Bautista alias „Gabino“ nannten, habe vor allem dem Austausch von Informationen über den Stand der laufenden Verhandlungen gedient.
Die Parlamentarierin Clara Rojas, langjährige FARC-Geisel, forderte unterdessen alle Beteiligten zu mehr Transparenz auf, um das Vertrauen in den labilen Friedensprozess nicht zu erschüttern. Immer noch sorgen Nachrichten wie der Fall einer Teenagerin für Schrecken und Entsetzen in dem südamerikanischen Land. Das Mädchen war von der FARC zwangsrekrutiert worden, weigerte sich jedoch den erzwungenen Dienst mit der Waffe auszuüben und versuchte, zu fliehen. Dafür zahlte sie einen grausamen Preis: Der bereits schwer verletzten 13-Jährigen musste nach einer Macheten-Attacke die Hand amputiert werden.
Von Tobias Käufer