Frage: Gibt es Anzeichen für wirtschaftliche Liberalisierung?
Bröckelmann-Simon: Kuba hat inzwischen ein eigenes Wort, das nirgends sonst im Spanischen existiert: cuentapropista – einer, der auf eigene Kappe arbeitet, ein Kleinstunternehmer. Die versuchen in Versorgungslücken vorzustoßen, in der landwirtschaftlichen Produktion, aber auch in der Stadt. Sie bieten Dienstleistungen an oder vermieten Unterkünfte an Fremde – auch das ist jetzt möglich. Diese Leute tragen erheblich zur Verbesserung der Versorgungslage bei.
Frage: Welche Handlungsfreiheit hat die Kirche?
Bröckelmann-Simon: Die sozialen Dienste der Kirche sind anerkannt. Die Bischöfe wollen sich künftig noch stärker auf diesem Feld engagieren. Auch in Kuba existieren Menschen an den Rändern der Gesellschaft. Es gibt
Armut,
die Wohnungsnot ist riesig, sowohl in Städten als auch auf dem Land, verschärft auch aufgrund der zuletzt häufigeren Wirbelstürme. Eine neue Priorität der kubanischen Kirche ist die Unterstützung der Landbevölkerung, besonders der Kleinbauern.
Frage: Nennen Sie ein Beispiel.
Bröckelmann-Simon: Die Bischöfe gehen pragmatisch vor, und die Menschen sind selbstbewusster geworden. Ein Ansatz in der kirchlichen Sozialarbeit sind die sogenannten Altenclubs: Treffpunkte, in denen sich alte Menschen über ihre Probleme und Nöte verständigen, sich gegenseitig stärken und Hilfe bekommen. Dort versuchen sie sich auch durch kleinere Aktivitäten ein zusätzliches Einkommen zu verdienen, stellen beispielsweise Dinge her, die sie dann verkaufen.
Frage: Wie finanziert sich die Kirche?
Bröckelmann-Simon: Sie finanziert sich im Wesentlichen durch die Beiträge der Gläubigen. Für die soziale Arbeit bekommt sie Unterstützung von internationalen Kooperationspartnern, unter anderem von Misereor; aber auch Caritas, Adveniat und andere
deutsche Hilfswerke
stehen in einer guten Partnerschaft mit der kubanischen Kirche.