Frage: Wie gefährlich ist es in Pakistan, Christ zu sein?
Krämer: Die Blasphemiegesetzgebung ist in Pakistan im Vergleich zu anderen islamischen Ländern besonders scharf. Vermeintliche Vergehen wie die Schändung des Korans oder die Beleidigung des Propheten Mohammed werden unter drakonische Strafen bis hin zur Todesstrafe gestellt, die allerdings bisher noch nicht vollstreckt wurde.
Anklagen aufgrund dieser Blasphemiegesetze erfolgen gegen Muslime, Hindus, Christen und Angehörige anderer religiöser Gruppen gleichermaßen. Die Blasphemiegesetze laden förmlich zum Missbrauch ein. Damit werden private Konflikte, Familien- oder Sippenfehden ausgetragen, manchmal geht es auch um politische oder wirtschaftliche Vorteile, die sich diejenigen erhoffen, die einen anderen wegen angeblicher Blasphemie anzeigen. Christen betrifft das sehr häufig.
Das Gefährliche dabei ist auch: Wenn ein einzelner Christ der Blasphemie angeklagt wird, gerät dann auch oft die gesamte christliche Gemeinschaft in einem Stadtviertel oder Dorf, aus dem dieser Christ stammt, unter Druck.
Frage: Bedeutet schon als Christ zu leben Blasphemie?
Krämer: Nach der Verfassung Pakistans herrscht formal Religionsfreiheit. Die Christen können im Land leben, haben ihre Gotteshäuser und feiern Gottesdienste. Die Christen in Pakistan sind Bürger des Landes wie alle anderen Bürger auch. Aber im Alltag kommt es zu zahlreichen
Diskriminierungen.
So werden Muslime bei der Arbeitssuche oft bevorzugt. Erschwerend kommt hinzu, dass Christen in der Regel unteren Bevölkerungsschichten angehören und ein niedrigeres Bildungsniveau haben. Sie gehen oft nur einfachen Arbeiten nach, etwa als abhängige Landarbeiter, so dass sie nur geringe Aufstiegschancen haben. Die Lage für christliche Frauen ist noch schwerer.
Frage: Wie leben die Christen im Vergleich zu uns ihren Glauben?
Krämer: Es gibt in den sechs Diözesen viele Orte, an denen kirchliches Leben stattfindet. Die katholische Kirche in Pakistan bietet der gesamten Gesellschaft in Pakistan auch Orte und Einrichtungen an, an denen sich Angehörige aller Religionen treffen können. Die Kirche ist in dieser Minderheitensituation sehr sensibel für den interreligiösen Dialog. Das ist sehr wichtig, weil die katholische Kirche in der pakistanischen Gesellschaft damit als ein Akteur wahrgenommen wird, der die Probleme des Landes ernst nimmt. So erhöht die katholische Kirche das Ansehen der Christen als wichtiger zivilgesellschaftlicher Faktor in Pakistan. Das trägt zum eigenen Überleben und zur Konfliktprävention bei.
Frage: Welche Rolle spielt die Kirche überhaupt für die pakistanische Gesellschaft?
Krämer: Obwohl Christen in der Minderheit sind, engagieren sie sich in der Bildung und im sozialen Bereich überdurchschnittlich. Die katholischen Schulen sind wichtige Bildungseinrichtungen im Land. Auch viele muslimische Eltern schicken ihre Kinder dorthin, weil sie wissen, dass die Kinder dort eine gute und wertorientierte Ausbildung bekommen.
Die Kirche unterhält einige Gesundheitszentren, die die Basisgesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen, und soziale Zentren, die sich Menschen am Rande zuwenden, die in der Gesellschaft nicht beachtet werden. Auch die
Frauenförderung
ist ein wichtiger Bereich, den sich die Kirche in Pakistan auf ihre Fahnen geschrieben hat. Die Kirche wirkt also weit über ihr zahlenmäßiges Gewicht in die Gesellschaft hinein. Und das wird als sehr positiver Faktor für die Entwicklung im Land selbst wahrgenommen.