Frage: Hat sich die Wohnsituation für die Flüchtlinge mittlerweile verbessert?
Hoerz: Die Vereinten Nationen planen kleinere und größere Zeltstädte in verschiedenen Orten. Aus logistischen Gründen ist es für solche Camps sinnvoll, nicht weniger als 1.000 Zelte aufzustellen. Sonst würde sich der Aufbau der Infrastruktur mit Ärzten, Wasserversorgung und Sicherheit nicht lohnen, und internationale Standards müssen nun einmal eingehalten werden. Die Caritas hingegen arbeitet über kirchliche Strukturen viel dezentraler. Wir können auch für kleine Gruppen von fünf Familien Zelte aufstellen, etwa, wenn sie vorher in Schulen untergebracht wurden.
Frage: Der Schulbeginn wurde bereits auf Mitte September verschoben, weil so viele Familien ihre Unterkunft in Schulgebäuden haben. Haben sie schon alternativen Unterschlupf gefunden?
Hoerz: Da herrscht große Ratlosigkeit. Entweder werden eine Art von Campingplätzen dort eingerichtet, wo die Vertriebenen von der lokalen Bevölkerung und der Caritas versorgt werden können. Oder sie gehen in die großen Camps. Ich bin mir sicher, dass nur wenige Flüchtlinge die zweite Lösung wählen. In einem großen Camp bist du anonym, eine Nummer und kannst dein Leben nicht selbst gestalten. In kleineren Gemeinschaften ist das anders.
KNA: Herrscht mittlerweile ein so großes Misstrauen zwischen den verschiedenen Minderheiten?
Hoerz: Die Christen ziehen sich zunehmend in christliche Dörfer zurück. Das ist aber nicht neu, das passiert schon seit dem Fall von Saddam Hussein 2003: Angesichts der Unsicherheit in großen Städten geht man zurück aufs Dorf, baut sich dort sein Häuschen. Man geht zurück zur eigenen Gemeinschaft. In manchen Gebieten in Kurdistan gibt es ebenfalls bereits Trennungen nach kurdisch-sunnitischen Minderheiten auf der einen und
Jesiden und Christen
auf der anderen Seite. Je größer die Ortschaften werden, desto stärker ist noch die Mischung. Doch dort sind die Religionen wieder nach Stadtvierteln getrennt. Je kleiner die Orte sind, desto weniger vermischen sich die unterschiedlichen Gruppen.
Frage: Wie groß ist die Hoffnung der Bevölkerung angesichts der neuen Regierung unter Ministerpräsident Haider Al-Abadi?
Hoerz: Die Menschen haben ein gewisses Maß an Hoffnung, sind aber auch verhalten. Abadi hängt ja der Ruf an, dass er ausgleichend zwischen Sunniten und Schiiten wirken möchte und sie wieder zusammenbringen könnte. Aber wie viel Substanz dahinter steckt, wird sich zeigen. Die Leute sind schon durch so viele politische Kehrtwenden gegangen, dass sie alle sehr vorsichtig sind in der Bewertung der politischen Geschehnisse.
Das Interview führte Claudia Zeisel