Frage: Trotzdem gibt es weiterhin viel
Armut.
Messner: Aber auch eine wachsende Mittelschicht – weltweit. Vor dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts 1989 erwirtschafteten 1,3 Milliarden Menschen ein Bruttojahreseinkommen zwischen 4.000 und 40.000 US-Dollar pro Kopf. Rund 80 Prozent dieser Menschen lebten damals in den Industrieländern. Heute zählen schon 2,5 Milliarden Menschen zur Mittelschicht – und nur noch die Hälfte davon lebt in den reichen Ländern des Westens.
Frage: Wer sagt, dass dieser Trend anhält?
Messner: Seriöse Schätzungen von Forschern, die davon ausgehen, dass bis 2030 etwa fünf Milliarden Menschen über die Schwelle von 4.000 US-Dollar kommen und davon nur noch jeder Fünfte in Europa oder Nordamerika lebt.
Frage: Was bedeutet das für die Entwicklungspolitik?
Messner: Viele Staaten sehen sich längst nicht mehr als Empfänger von Geldern aus dem Westen. Sie werden wirtschaftlich unabhängiger und treten selbstbewusster auf. Damit entstehen – neben der Armutsbekämpfung, die immer noch für etwa 2 Milliarden Menschen weltweit von existenzieller Bedeutung ist – neue Kooperationsfelder.
Frage: Welche neuen Felder sind das?
Messner: Zum Beispiel Fragen, wie wir mit
Rohstoffen
umgehen, mit den Folgen des
Klimawandels
oder der Weltwirtschaftskrise. Wenn wir das nicht in den Griff bekommen, schlittern wir in lauter Krisensituationen rein. Das 21. Jahrhundert wird darum das Jahrhundert der globalen Gemeinschaftsgüter ...
Frage: ... und wohl auch der Kriege, wenn wir auf Regionen wie den Nahen und Mittleren Osten blicken, nach Afrika oder in die Ukraine.
Messner: Das ist leider wahr. Etwa 20 Staaten wie der Kongo, Somalia oder der Sudan gelten aufgrund von Gewalt und Anarchie als fragil. In weiteren 10 bis 20 Ländern droht ein Kollaps, nachdem dort autoritäre Strukturen zusammengebrochen sind. Das Spektrum reicht von Libyen bis in die Ukraine. Hier wären Strategien dringend nötig, aber gerade in diesem Bereich wissen wir viel zu wenig.
Frage: Genau das beklagen Helfer mit Blick auf Irak und Syrien. Es gibt aktuell heftige Debatten über die geplanten deutschen Waffenlieferungen an die im Nordirak gegen die IS-Miliz kämpfenden Kurden. Glauben Sie, dass die Politik diesen Herausforderungen gewachsen ist?
Messner: Obwohl solche Themen immer wichtiger werden, scheint die Zahl derer, die sich damit beschäftigen wollen, nicht zuzunehmen. Politische Karrieren macht man – auch im Zeitalter der Globalisierung – leider eher mit innenpolitischen Themen. Wir müssen auch mehr in die Forschung investieren, um besseres Wissen über schwierige internationale Probleme und deren Lösung zu generieren.