„Unmögliche Arbeitsbedingungen“
Sie pflegen alte Menschen, betreuen Kinder, sie bügeln, putzen und führen den Haushalt: Hausangestellte in Deutschland. 700.000 von ihnen gibt es laut Statistischem Bundesamt, Gewerkschaften schätzen ihre Zahl auf mindestens 2,6 Millionen. Viele arbeiten auf Teilzeitbasis, bis zu 90 Prozent ohne Arbeitsvertrag. Die meisten Hausangestellten sind Frauen: Laut der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) sind in den vergangenen Jahren besonders viele weibliche Hausangestellte aus Osteuropa nach Deutschland vermittelt worden. Die zuständigen Agenturen unterlägen oft keinerlei Aufsicht und arbeiteten mit dubiosen Praktiken.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Sie pflegen alte Menschen, betreuen Kinder, sie bügeln, putzen und führen den Haushalt: Hausangestellte in Deutschland. 700.000 von ihnen gibt es laut Statistischem Bundesamt, Gewerkschaften schätzen ihre Zahl auf mindestens 2,6 Millionen. Viele arbeiten auf Teilzeitbasis, bis zu 90 Prozent ohne Arbeitsvertrag. Die meisten Hausangestellten sind Frauen: Laut der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) sind in den vergangenen Jahren besonders viele weibliche Hausangestellte aus Osteuropa nach Deutschland vermittelt worden. Die zuständigen Agenturen unterlägen oft keinerlei Aufsicht und arbeiteten mit dubiosen Praktiken.
Das soll sich jetzt ändern: Seit Montag gilt in Deutschland die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO über menschenwürdige Arbeit von Hausangestellten. Zum ersten Mal in der Geschichte der ILO sollen damit auch Beschäftigte aus einem weitgehend informell organisierten Bereich – dem Privathaushalt – durch ein rechtsverbindliches Übereinkommen geschützt werden. Auch Migrantinnen mit irregulärem Aufenthaltsstatus sind darin eingeschlossen.
„Das Übereinkommen umfasst grundlegende Rechte“, erklärt Kirsten Scheiwe, „Menschenrechte, Schutz vor Missbrauch, Belästigung und Gewalt“. Die Juristin und Professorin der Universität Hildesheim untersucht in der Arbeitsgruppe „care@work“ die Arbeitsbedingungen von Hausangestellten, zudem ist sie Mitinitiatorin eines gemeinsamen Aufrufs von 50 Wissenschaftlern, die Hausangestellte unterstützen.
Manche Hausangestellte sind 24 Stunden im Dienst
Die soeben in Kraft getretene Regelung betone, dass Hausangestellte dieselben Rechte hätten wie andere Arbeitnehmende auch – hinsichtlich Entlohnung, Arbeitszeit und sozialer Sicherheit. Scheiwe kritisiert jedoch, dass diese Rechte oftmals „auf dem Papier“ existierten, aber nicht im „gelebten Recht“. Besonders prekär ist die Situation für die so genannten Live-Ins, diejenigen Hausangestellten, die rund um die Uhr im Privathaushalt ihres Arbeitgebers leben und pflegebedürftige Angehörige betreuen. In dieser 24-Stunden-Pflege würden Bestimmungen zur Arbeitszeit häufig ignoriert. „Das sind oft unmögliche Arbeitsbedingungen“, betont Scheiwe. „Eigentlich benötigt man für die 24-Stunden-Pflege drei Arbeitskräfte.“
„Eigentlich benötigt man für die 24-Stunden-Pflege drei Arbeitskräfte.“
Ähnlich äußert sich der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) . Frauen, die bis zu 24 Stunden lang pflegebedürftige Menschen versorgten, müssten unter das Arbeitszeitgesetz fallen, stellt KDFB-Vizepräsidentin Beate Born klar. Ihr Verband fordert gesetzliche Nachjustierungen, „damit die bisher gängige Praxis wie ungeregelte Arbeitszeiten, mangelnde soziale Absicherung und Niedriglöhne bis hin zur Ausbeutung der Frauen beendet wird“, so Born weiter.
Die Forscherinnen von „care@work“ appellieren zudem an die Politik, sich aktiv um die Einrichtung existenzsichernder Beschäftigungsverhältnisse zu bemühen. Minijobs seien zwar ein Weg aus der Schwarzarbeit in Privathaushalten, doch auch sie öffneten meist keinen Zugang zur Krankenversicherung und nur unzureichenden Rentenversicherungsschutz.
„Nichts anderes als Ausbeutung“
„Was hier stattfindet, ist nichts anderes als Ausbeutung“, sagt auch die KAB-Bundesvorsitzende Regina-Dolores Stieler-Hinz. „Statt jetzt das Inkrafttreten der ILO-Konvention still und leise unter den Teppich zu kehren, ist die Bundesregierung in der Pflicht, rechtliche Grauzonen zu durchlüften und zugunsten der Betroffenen reinen Tisch zu machen.“
Um Hausangestellte über ihre Rechte aufzuklären, empfiehlt die Hildesheimer Forschungsgruppe die gezielte Förderung von Beratungsstellen. „Vor allem in ländlichen Gebieten wäre eine mobile, flexible Beratung der Betreuungskräfte notwendig“, sagt Stefanie Visel vom Institut für Sozial- und Organisationspädagogik. Zudem solle ein Rechtshilfefonds eingerichtet werden, der Musterprozesse von Hausangestellten unterstützen könnte. Die Live-Ins machten im Vergleich zu den Reinigungskräften zwar nur eine kleine Gruppe aus. Rechtsverletzungen seien jedoch für keinen Betroffenen akzeptabel, sagt Scheiwe: „Das Abkommen, das jetzt in Deutschland in Kraft tritt, ist ein Signal, daran etwas zu ändern.“
Von Paula Konersmann
Gemeinsamer Aufruf
Mit dem gemeinsamen Aufruf „Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte!“ fordern Vertreterinnen und Vertreter aus Kirchen, Gewerkschaften und Hochschulen von der Politik konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der ILO-Konvention. Lesen Sie hier den Aufruf im Wortlaut: