Frage: Die Bundesregierung ist im Juni 2015 Gastgeber des jährlichen G7-Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs. Inwieweit kann und sollte Deutschland hier die Weichen für eine sozial-ökologische Transformation stellen?
Spiegel: Die Bundesrepublik könnte den verschiedenen Initiativen der G7 zur Hungerbekämpfung deutlich mehr Richtung geben hin zu einer verstärkten Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft. Darüber hinaus könnte sich Deutschland dafür einsetzen, dass Menschenrechtsklauseln in internationalen Handelsverträgen zum Standard werden. Auch die Energiewende sollte ein Thema sein. Ein Viertel der Energiegewinnung in Deutschland stammt inzwischen aus erneuerbaren Energien. Diese Entwicklung sollte mit Mut weitergeführt werden.
Das Jahr 2015 ist ohnehin ein wichtiges Jahr für die Zukunft unseres Planeten. Die Millenniumsziele laufen aus und müssen in eine neue Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda überführt werden. Auf der 3. Internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung wird über die Weltfinanzen geredet. Und auf der UN-Klimakonferenz in Paris wird es um die Frage gehen, wie die Staatengemeinschaft den Klimawandel als Herausforderung annimmt.
Frage: 2015 werden also viele Weichen gestellt. Haben Sie Bedenken, dass sich die verschiedenen Vorhaben gegenseitig im Weg stehen könnten, zum Beispiel wenn es um die Finanzierung der Klimaziele einerseits und der Post-2015-Agenda andererseits geht?
Spiegel: Meine Bedenken richten sich zurzeit eher auf die großen Konflikt- und Brandherde im Nahen Osten, in Teilen Afrikas und an der Grenze zwischen Mexiko und dem Süden der USA. Verständlicherweise bestimmen diese Krisen die Politik und die Medien so stark, dass andere grundlegende Diskussionen, wie diejenige um die Post-2015-Agenda, dahinter zurücktreten.
Mit Blick auf Ihre Frage kann ich jedoch sagen, dass wir aus den Fehlern der Millenniumsziele gelernt haben. Diese waren zu einseitig aus westlicher Perspektive formuliert. Die zukünftige Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda muss auf Weltebene entschieden werden – unter Einbeziehung aller Akteure und in gemeinsamer Verantwortung. Die verschiedenen Dimensionen dürfen dabei nicht parallel laufen, sondern müssen sich gegenseitig ergänzen und auf dem gemeinsamen Fundament der Menschenrechte aufgebaut sein. Dann habe ich keine Bedenken, dass hier ein Konkurrenzkampf entsteht.