Frage: Wie funktioniert die Zusammenarbeit in dem breiten Spektrum von Kirchen und Gemeinschaften, die in der Vergangenheit nicht selten auch Mission „gegeneinander“ betrieben haben?
Krämer: Wenn man auf den
Trägerkreis dieses Kongresses
schaut, findet man über 20 Kirchen und Gemeinschaften. Dies ist ein Ausdruck dafür, wie plural auch das Christentum ist. Im Prozess zur Entstehung der
„Empfehlungen für missionarisches Handeln“
, die 2011 gemeinsam vom Ökumenischen Rat der Kirchen, der Weltweiten Evangelischen Allianz und dem Päpstlichen Rat für Interreligiösen Dialog des Vatikan verabschiedet wurden, wurde um Formulierungen gerungen. Dieses Ringen resultiert ja genau aus dieser geschichtlichen Erfahrung, dass es verschiedene Ansätze in der Mission gab und gibt, die nicht selten auch zu Missverständnissen oder Kontroversen untereinander führen. Verschiedene Workshops während des Kongresses thematisieren Proselytismus, die Positionierung der Religion im öffentlichen Raum und das Recht auf Religionsfreiheit. Mit Verabschiedung der Empfehlungen wurde weltweit ein Prozess angestoßen, der in ökumenischer Verbundenheit Anfragen an das eigene Handeln stellt und zur Diskussion einlädt. Wir bräuchten keinen Kongress, wenn wir fertige Lösungen hätten. Wir veranstalten ihn, weil wir gemeinsam darum ringen wollen, wie wir verantwortungsbewusst als Christen in Deutschland unseren Glauben leben und weitertragen können, ohne die Freiheit und die Würde des Anderen zu missachten.
Frage: In vielen Teilen der Welt ist die Religionsfreiheit akut bedroht. Unter welchen Umständen kann es dort überhaupt Mission geben?
Krämer: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist Ausdruck unseres christlichen Menschenbilds. Es gehört daher zu unserem Auftrag als Christen, diese Würde zu schützen und uns dafür einzusetzen. Damit ist der Einsatz der Christen für das Recht auf Religionsfreiheit immer auch schon Mission. Auf meinen Reisen begegne ich zahlreichen Menschen, die sich gegen alle widrigen Umstände für das Recht auf Religionsfreiheit einsetzen und das im Alltag auch leben. Das braucht Mut. Wir wollen unsere Möglichkeiten nutzen, sie zu unterstützen und uns für ihre Religionsfreiheit einzusetzen. In Ländern, in denen keine volle Religionsfreiheit gewährleistet ist, ist es vor allem das alltägliche Zeugnis der Christen, von dem eine missionarische Kraft ausgeht: der Einsatz für die Armen und Entrechteten, für die Menschen, die an den Rand gedrängt und von der Gesellschaft vergessen werden.
Frage: Der Kongress versteht sich als Teil eines internationalen Studienprozesses. Welcher Art könnte in einigen Jahren das Ergebnis dieses Prozesses sein?
Krämer: Der Kongress ist ein erster wichtiger Schritt. Mit ihm wollen wir hier in Deutschland einen Prozess vorantreiben, der Gläubige, Gemeinden und Institutionen immer wieder neu anregt, darüber nachzudenken und miteinander zu diskutieren, wie Rechenschaft über die Hoffnung, die uns antreibt, abgelegt werden kann. Sicher werden die Katholiken- und Kirchentage und das Reformationsgedenken in den kommenden Jahren wichtige Orte dafür sein. Doch darf es an dieser Stelle nicht enden. Die Empfehlungen entfalten erst dann ihr Potenzial, wenn sie in den Gemeinden und zwischen den Konfessionen an vielen Orten unseres Landes diskutiert werden. Das würde ich mir wünschen. Doch wir sind noch am Anfang des Prozesses, der auch Raum für das Wirken des Geistes lassen darf.
Von Norbert Zonker